Ambler by Ambler
schön aus.« Er sah mich forschend an. »Deine Mutter macht sich Sorgen, wie du’s aufnehmen wirst. Ich meine, nicht jeder Junge in deinem Alter möchte, daß seine Freunde wissen, daß er eine kleine Schwester bekommen hat. Hoffentlich freust du dich genauso wie wir und dein Bruder.«
»Ja sicher, ich freue mich. Aber es kommt ein bißchen überraschend.«
»Willst du damit sagen, daß du nichts gemerkt hast? Deine Mutter ist sicher, daß du es gemerkt hast.«
Gemerkt? Etwas sehen, was ich nicht hatte sehen dürfen? Nein, natürlich nicht. Zwar hatte eine kleine Ecke meines Verstandes registriert, daß während der letzten beiden Monate im Gästezimmer bei uns ein blankpolierter, nagelneuer Kinderwagen herumgestanden hatte, verpackt in Wellpappe. Mir war aufgefallen, daß meine Mutter dicker geworden und oft zu Dr. Park gegangen war. Ich hatte auch die Ottomane, in der schon immer geheime Sachen aufbewahrt wurden, durchstöbert und die Babyausstattung gefunden. Im Grunde aber war ich absolut unschuldig. Was diese andere kleine Ecke betraf, so erschien es mir einfacher, zu lügen.
»Nein, Dad, ich hab nichts gemerkt. Wie sollte ich?«
Er schüttelte erstaunt den Kopf und tat so, als glaubte er mir. Wir beide spielten unsere Rolle sehr schlecht. Großvater lächelte und nippte an seinem Whisky, freute sich, daß sein Charley eine Tochter hatte, lachte aber auch über uns. Er fand, daß wir ganz schön blöd waren, und recht hatte er. Später, als mein Vater gegangen war, fragte Großvater einfühlsam, ob ich einen Schluck Whisky abhaben wollte. Ich sagte nein, weil ich den Geruch nicht mochte. statt dessen bekam ich eine heiße Schokolade.
Meine Schwester Joyce war tatsächlich schön, und ich entwickelte ein etwas handgreifliches Interesse an ihr, das von meiner Mutter argwöhnisch beobachtet wurde. »Als dein Bruder geboren wurde«, sagte sie, »warst du ein absolutes Scheusal.« Aber sie glaubte nach wie vor, daß ihre Schwangerschaft mir nicht aufgefallen war, und belohnte mich entsprechend. »Du wirst immer mein großer Junge sein«, versicherte sie mir.
Keinem meiner Freunde schien es etwas auszumachen, daß ich ein Schwesterchen hatte, mit Ausnahme von Sims. Er befürchtete, die Sache würde sich auf unser samstägliches Arbeitsprogramm auswirken. Für seine Begriffe war ich wohl zu nachsichtig mit meinen Eltern. Er ließ die Peitsche knallen. Mrs. Sims, geduldig wie immer, sah sich genötigt, zusätzlichen Raum von ihrer Küche abzutreten, damit wir leichter an den Ausguß kamen.
Meine Freundschaften versuchte ich auseinanderzuhalten, und meistens gelang mir das auch. Sims und Smith G. zusammen, das hätte eine unmögliche, peinliche Situation ergeben. Mit Smith G. unternahm ich Radtouren, wir fuhren hinaus aufs Land und sprachen lange über Sex. In unserer Klasse war ein Junge, der uns während Mr. Worthys Zeichenunterricht immer seinen Penis zeigte. Er war beschnitten. Wir nicht. Wie wichtig war der Unterschied? Wie konnten wir das herausfinden? Gab es jemand, der wirklich Bescheid wußte? Gab es zu diesem Thema keine Bücher? Auf diesen Streifzügen verwandelten wir uns in geschickte Zaunkletterer und Obstdiebe, ziemlich geschickte jedenfalls. Ein- oder zweimal mußten wir aber wirklich rennen, um keinen Ärger zu bekommen. Doch mit Smith G. haben riskante Abenteuer immer Spaß gemacht.
Bei Hugh Cooke waren es andere Risiken, und sie wurden auch bewußter eingegangen. Er war Mitglied des Schützenvereins der Schule und spielte auch Wasserball. Sein älterer Bruder spielte Rugby. Da sie anscheinend nicht miteinander konkurrierten, war man immer wieder überrascht, wenn sich zeigte, daß sie einander nicht leiden konnten. Sie wohnten in einem alten Haus in der Nähe der Schule. Im Souterrain standen eine Töpferscheibe und ein großer Ofen, in dem Mrs. Cooke ihre kunstvollen Schalen und Vasen brannte. Mr. Cooke war Handlungsreisender und oft unterwegs. Er verkaufte Motorspritzen.
Hugh, wie Hugo genannt werden wollte, war ein frühreifer Mann von Welt. Er sah gut aus, war immer adrett angezogen und wußte, wie man eine Krawatte bindet, damit ein alter Fettfleck nicht zum Vorschein kommt, und was man zu einer Tanzveranstaltung im Rathaus von Greenwich anzog. Er wußte, wie man Mädchen um einen Tanz bittet. Noch erstaunlicher war, daß er tatsächlich tanzen konnte. Seine Mutter hatte ihn zur Tanzstunde geschickt. Andere gesellschaftliche Pluspunkte waren, daß er Banjo spielen und mit »I Can’t
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