Ambler by Ambler
abgelesenen Kadmiumwerte jeder Platte in ein Buch ein, das am Ende von uns dreien feierlich signiert wurde. Ich weiß nicht, wie gut er als Gärtner war, aber als ein Mann in Vertrauensstellung hat er mich tief beeindruckt.
Die einzigen Abteilungen des Werks in Ponders End, vor denen mir graute, waren die, in denen viele Frauen arbeiteten. Besonders beunruhigend fand ich die Trockenbatterieabteilung, weil die Mädchen dort allesamt außergewöhnlich große Brüste hatten. Das jedenfalls sagten die Männer, die dort arbeiteten, und die Mädchen bestätigten es, indem sie behaupteten, daß das am Mangandioxydgehalt der Luft liege, die sie einatmen müßten. Meine Theorie ging dahin, daß ihre Brüste größer wirkten, weil sie dünne Kittel ohne etwas darunter trugen, um sich den Staub nach Schichtende leichter und schneller abwaschen zu können. Sie waren ohnehin ein derbes Völkchen. Ich war froh, daß ich mit der Produktion von Trockenbatterien bloß in der relativen Abgeschiedenheit der Versuchs- und Inspektionsabteilung in Berührung kam.
In der Abteilung für Radiokomponenten lagen die Dinge anders. Dort gab es überhaupt keine Männer, nicht einmal einen Vorarbeiter. Alle Leitungsfunktionen wurden von Frauen ausgeübt. Ich probierte, den Werksleiter davon zu überzeugen, daß ich von Radiokomponenten schon genug wüßte, doch er war anderer Meinung. Wovon die dämlichen Firmenvertreter etwas wissen sollten, das sei monotone Arbeit mit all ihren Auswirkungen. Die Vorarbeiterin könne mir noch eine Menge beibringen.
Natürlich hatte er recht. Die Vorarbeiterin verstand sich auf ihren Job. In dem Monat, den ich dort verbrachte, erfuhr ich, wie wichtig Qualitätskontrolle war. Und ich erfuhr auch, daß das bei stets gleichbleibenden Arbeitsvorgängen benutzte Werkzeug, egal, wie fein und umsichtig es gestaltet war, selbst bei den robustesten Händen schließlich zu Blasen und wunden Stellen führen muß. Wenn die Art der Arbeit das Tragen von Handschuhen nicht zuließ, dann konnte man nur noch auf Schwielen hoffen.
Ich lernte auch, daß sich Verlegenheit am besten durch Lachen übertünchen läßt.
Die Mädchen, mit denen ich in der Montageabteilung arbeitete, waren zumeist in meinem Alter, teilweise aber jünger. Jenny, die dominierende Persönlichkeit am Fließband, die mir genau gegenüber saß, war sechzehn. Sie war auch eine von mehreren ledigen Müttern in unserer Gruppe.
Die anderen nannten sie »Creeping Jenny«. Den Grund dafür habe ich nie erfahren, aber anscheinend gefiel es ihr. Es war ein durchaus unpassender Spitzname. Creeping Jenny war das alte Wort für Pfennigkraut, ein hübsches Unkrautgewächs, das man in vielen ungepflegten Londoner Gärten sehen konnte. Es war eine bescheidene, sehr grüne, reumütige kleine Pflanze. Jenny dagegen war rosig, drall und hemmungslos, und ihr Lachen hatte etwas Spöttisches, das die Mädchen unweigerlich ansteckte.
Es wurde immer viel geredet und gelacht. Wir setzten Drehkondensatoren zusammen, und es war eine sehr stumpfsinnige Arbeit. Schwatzen und Lachen half und wurde von der Vorarbeiterin sogar ganz gern gesehen. Am ersten Tag wurde ich noch nicht einbezogen, doch als feststand, daß ich mich geschickt anstellte und man keinen Ärger bekommen würde, weil ich Ausschuß produzierte, beschloß Jenny, mich in die Runde aufzunehmen. Wie sie das machte, war charakteristisch für sie. Sie kicherte schelmisch, warf mir einen durchtriebenen Blick zu und beugte sich zu dem Mädchen neben ihr.
»Was glaubst du, wie groß sein Schwanz ist?« fragte sie.
»Ich hab noch nicht darüber nachgedacht«, meinte ihre Nachbarin abweisend.
»Du hast aber gesagt, daß sein Adamsapfel ziemlich groß ist. Damit wolltest du doch sagen, daß er bestimmt einen großen Schwanz hat, oder? Von dem einen kann man auf das andere schließen.«
»Oooch, ich hab nie von seinem Adamsapfel gesprochen. Warum sollte ich. Ich finde, er sieht aus wie bei allen anderen.«
»Schon, aber wenn hier ein Typ mit uns arbeitet, dann müssen wir doch wissen, was für einen Schwanz er hat. Leuchtet doch ein. Eine von uns sollte mal mit ihm runter ans Ufer gehen und nachsehen.«
»Jenny, du bist schrecklich! Sieh mal, jetzt wird er schon rot! Nimm’s ihr nicht übel, Junge. Sie macht bloß Spaß!«
»Am Ufer«, das bedeutete das Ufer des Lea, der hinter der Fabrik entlangfloß und die Grenze bildete zwischen dem Werksgelände und den Sumpfwiesen dahinter. Wer sich belegte Brote mitgenommen
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