Ambler by Ambler
er der Chef sein müßte. Vielleicht auch, weil jede neue Maschine in die Abteilung gegenüber ging. Hier gab es keine Lehrlinge. Praktikanten wurden natürlich mißtrauisch behandelt. Und daher hielt niemand es für nötig, mich darauf hinzuweisen, daß das Bohren von Löchern in Kupfer nicht so einfach war wie es aussah. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, daß ein Bohrer (unabhängig davon, wieviel oder welches Gleitmittel man verwendet) bei weichem, hochwertigem Kupfer sich unweigerlich festfrißt, und zwar ganz plötzlich und genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet. Wenn das passierte, blieb es nie bei diesem einen Malheur. War das Kupferstück, das man gerade bearbeitete, in einem Schraubstock befestigt, dann brach der Bohrer meistens so aus, daß das ganze Werkstück durch Kratzer auf der Oberfläche ruiniert war. Wenn man, um dies zu vermeiden, den Bohrer mittels eines Blocks aus Holz oder einem anderen Material festhalten wollte, dann drehte sich, sobald der Bohrer festsaß, die ganze Geschichte wie verrückt und schlitzte einem die Knöchel auf. Niemand hat gerne mit weichem Kupfer gearbeitet. In der Werkstatt gab es mehrere ähnliche Arbeiten, Arbeiten, die niemand gern getan hat. Ich habe sie alle getan. Selbstgerecht hatte ich darum gebeten, mit meinen Händen arbeiten zu dürfen, und nun stand ich da. Wenn meine Hände darunter litten, war das einzig und allein meine Schuld.
Trotzdem, es war furchtbar unangenehm. Bob Barclay, mein Wirt, obwohl Lackierer von Beruf, war ein begeisterter halbprofessioneller Music-Hall-Künstler. Er sah zu, daß wir mit unserer neuen Show (Barclay & Ambrose, humoristische Szenen und Songs mit Klavierbegleitung) bei Veranstaltungen von Arbeitervereinen engagiert wurden. Die Songs »Radio Romeo« und »Why Won’t You Give up the Blues?« hatte ich geschrieben und komponiert, und mit schmissiger Klavierbegleitung mußte ich Bobs knödelndem Bariton ein wenig nachhelfen. Ich hatte auch einen seiner raschen Kostümwechsel mit zweiunddreißig Takten von Billy Mayerls »Jazz Mistress« zu überbrücken. Da in diesem Stück die linke Hand fast ausschließlich Dezimen spielen mußte, brauchte ich, um diese Passagen richtig spielen zu können, eine Hand ohne offene Schnittwunden. Es passierte zu dieser Zeit nicht selten, daß die Veranstalter sich über Blutspuren auf den Tasten des Leihflügels beschwerten. Ich war froh, als meine Zeit in der Maschinenwerkstatt zu Ende ging.
Meine nächste Station war die Akkumulatorenabteilung. Das Schlimmste, was meine Hände dort abbekamen, waren »Hühneraugen«. So nannten es die Leute, die dort arbeiteten. Es war eine Art Geschwür, verursacht durch ständiges Herumrühren von Kadmiumstäben in Salpetersäure. Die Säuretanks befanden sich in langgestreckten, zur Seite hin offenen Baracken, wo die größeren Batterieplatten behandelt wurden. Eigentlich sollten wir Schutzkleidung tragen, aber die vorhandenen Sachen haben nie für alle gereicht.
Trotzdem hat mir die Arbeit in dieser Abteilung gefallen. Immerhin lernte ich Löten, eine wahre und seltene Kunst, die spannend und nicht ungefährlich war. Wer seine Atmung nicht beherrschte und im Umgang mit der Lötflamme kein Fingerspitzengefühl besaß, riskierte nicht nur, viel teures Blei zu vergeuden, sondern auch, sich selbst zu vergiften.
Mein nächster Auftrag war, die Männer zu begleiten, die die zahlreichen Akkumulatoren warteten, die das Unternehmen in all den Jahren installiert hatte. Sie befanden sich meistens in Krankenhäusern und anderen öffentlichen Institutionen, vielfach aber auch in ländlichen Haushalten, wo sie zu einer Zeit installiert worden waren, als es Strom nur in den Städten gab. Ich erinnere mich an ein Gut westlich von Tunbridge Wells, das über einen eigenen Generator mit einem herrlich gepflegten einzylindrigen Gasmotor verfügte, der über einen Keilriemen mit einem vorsintflutlichen Crompton-Dynamo verbunden war. Der Motor erzeugte ein sanftes, beruhigendes, paffendes Geräusch und roch nach warmem Öl. Unser 150 -Volt-Akkumulator wurde nur in Notfällen benutzt oder wenn man viel Licht benötigte, etwa bei großen Gesellschaften. Er befand sich in einem separaten Raum, und die hundert schweren Glaszellen standen auf zwei langen, gebeizten Holzgestellen. Das Ganze wurde von einem imposanten Mann überwacht, der wie der Gutsbesitzer aussah, sich aber als der Chefgärtner herausstellte. Er verfolgte jede unserer Handbewegungen und trug die von uns
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