Ambler-Warnung
die viel befahrene Straße und betrat das McDonald’s. Innen war es dunkel, die Beleuchtung schummrig rot. Ambler erschien das sehr passend. Sie waren ja schließlich in einem Rotlichtviertel. Caston saß an einem Ecktisch und hatte einen Kaffeebecher vor sich.
Ambler kaufte zwei Hamburger Royal TS und setzte sich an einen Tisch im hinteren Drittel des Restaurants, von dem er die Eingangstür im Blick hatte. Dann wartete er, bis Caston zu ihm rübersah und winkte ihn zu sich. Caston hätte offenbar absichtlich den von der Tür aus am schlechtesten einsehbaren Tisch gewählt. Ein defensiver Fehler, den kein Agent begangen hätte. Wenn Feinde deine Arena betreten, dann wissen sie, dass du da bist. Es war viel besser, sie möglichst schnell zu entdecken und den Überblick zu bewahren. Nur Amateure nahmen Blindheit in Kauf, um selbst nicht gesehen zu werden.
Caston setzte sich mit unglücklichem Gesicht zu Ambler an den kleinen gebeizten Holztisch.
Ambler scannte weiterhin den Raum. Er konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Caston unwissentlich zum Handlanger gemacht worden war. Vielleicht hatte man einen Transponder in seinem Schuhabsatz versteckt. Es wäre einfach, irgendwo außer Sicht ein Team zu positionieren. Eine visuelle Überwachung war hier nicht nötig.
»Sie wirken größer als auf dem Foto«, sagte Caston. »Aber das war auch nur zehn mal fünfzehn Zentimeter groß.«
Ambler ignorierte die Bemerkung. »Wer weiß noch, dass Sie mich aufgespürt haben?«, fragte er ungeduldig.
»Nur Sie«, antwortete der Mann. Seine Stimme klang gereizt, aber er zeigte keine Spur von Unbehagen oder Arglist. Lügner betrachteten ihr Gegenüber oft aufmerksam, nachdem sie etwas gesagt hatten. Sie wollten sehen, ob man ihren Lügen glaubte oder ob sie noch dicker auftragen mussten, um ihr Gegenüber zu überzeugen. Wer in einer gewöhnlichen Unterhaltung die Wahrheit sagte, ging davon aus, dass ihm geglaubt wurde. Caston starrte auf die Hamburger, die vor Ambler auf dem Tablett lagen. »Essen Sie beide?«
Tarquin schüttelte den Kopf.
Der Amerikaner nahm sich einen Hamburger und begann, ihn gierig hinunterzuschlingen. »’tschuldigung«, sagte er, als er fertig war. »Ich habe eine Ewigkeit nichts mehr gegessen.«
»Es ist ja auch verdammt schwierig, in Frankreich etwas Leckeres aufzutreiben.«
»Wem sagen Sie das«, sagte der Mann ernsthaft. Offenbar war ihm Amblers Sarkasmus völlig entgangen.
»Jetzt sagen Sie mir mal was. Wer sind Sie wirklich? Sie sehen nicht aus wie ein CIA-Agent. Sie sehen weder aus wie ein Agent noch wie ein Polizeibeamter.«
Ambler musterte den dicklichen Mann mit den Hängeschultern. Er war überhaupt nicht in Form. Und offenbar völlig fehl am Platz. »Sie sehen aus wie ein Buchhalter.«
»Und genau das bin ich«, sagte der Mann. Er zog einen Drehbleistift aus der Hemdtasche und richtete ihn auf Ambler. »Also legen Sie sich bloß nicht mit mir an.« Er lächelte. »Ehrlich gesagt war ich ein CIA, bevor ich zur CIA ging. Ein
Certified Internal Auditor, also ein Buchprüfer. Aber ich arbeite schon seit dreißig Jahren für den Laden. Allerdings bleibe ich normalerweise eher im Büro.«
»Back Office?«
»So würdet ihr Frontschweine es wohl nennen, ja.«
»Wie sind Sie bei der CIA gelandet?«
»Haben wir Zeit für meine Lebensgeschichte?«
»Sagen Sie es mir«, sagte Ambler. Sein drängender Tonfall klang beinahe bedrohlich.
Caston nickte. Er verstand, dass der Mann, den er als Tarquin kannte, nicht aus Neugier fragte, sondern prüfen wollte, ob er die Wahrheit sagte.
»Also die Kurzfassung. Angefangen habe ich in der Abteilung für Wirtschaftskriminalität bei der SEC, der US-Börsenaufsicht. Dann arbeitete ich kurz für Ernst &Young, aber das kam mir irgendwie vor, als wäre ich selbst ein Wirtschaftskrimineller. In der Zwischenzeit kam ein Schlauberger in Washington auf den Gedanken, dass die CIA im Grunde genommen eine Firma sei. Und beschloss, jemanden mit meinen speziellen Fähigkeiten einzustellen.« Er leerte seinen Kaffeebecher. »Speziell im Sinn von merkwürdig.«
Ambler beobachtete den Mann, während er sprach. Kein Anzeichen für eine Täuschung. »Also hat mich ein blutiger Amateur aufgespürt«, sagte Ambler. »Ein Bürohengst ohne einen Funken Ahnung von Spionage. Ich weiß nicht, ob ich mich totlachen oder zu Tode schämen soll.«
»Ich bin vielleicht ein Bürohengst, Tarquin, aber deshalb bin ich noch lange kein Vollidiot.«
»Das ist mir nicht
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