Ambler-Warnung
entgangen«, sagte der Agent. »Wie haben Sie mich gefunden? Und warum haben Sie mich überhaupt gesucht?«
Der Mann unterdrückte ein Lächeln, er war offenbar ein bisschen eitel. »Eigentlich war es ganz einfach – als ich erfuhr, dass Sie in Paris sind.«
»Wie Sie bereits betont haben, leben hier rund elf Millionen Menschen.«
»Nun, ich habe über Wahrscheinlichkeiten nachgedacht. Paris ist ein ziemlich schlechtes Versteck. Hier gibt es eine Menge Nachrichtendienststellen der unterschiedlichsten Nationen. Eigentlich ist es der letzte Ort, an dem Sie sich aufhalten sollten. Sie wollten also hier bestimmt nicht untertauchen. Vielleicht hatten Sie einen Auftrag zu erledigen. Aber warum sind Sie dann nicht bei der erstbesten Gelegenheit abgehauen? Also standen die Chancen gut, dass Sie hier etwas suchten. Und zwar Informationen. Und an welchem Ort wird ein ehemaliger Agent der Consular Operations, der als >unrettbar< klassifiziert ist, wohl auf keinen Fall auftauchen? Natürlich im Pariser Büro von Cons Ops. Das dachten jedenfalls meine Kollegen. Wirklich der letzte Ort, an dem Sie sich blicken lassen sollten.«
»Also sind Sie genau dorthin gegangen und haben auf der Bank gegenüber Wache geschoben?«
»Die Informationen, die Sie unbedingt wollten, mussten etwas mit Consular Operations zu tun haben. Und in dieser Welt kennen Sie sich auch am besten aus.«
»Also sind Sie nur Ihrer Intuition gefolgt, stimmt’s?«
Castons Augen blitzten auf. »Meiner Intuition?« In seinem Zorn wirkte er beinahe majestätisch. »Eine Intuition? Clay Caston folgt nicht irgendwelchen Intuitionen. Er lässt sich nicht von Ahnungen, Intuitionen oder Instinkten oder ...«
»Würden Sie bitte etwas leiser sprechen?«
»Tut mir leid«, sagte Caston errötend. »Da haben Sie einen wunden Punkt getroffen.«
»Sie folgten also Ihrer wunderbaren Kette logischer Schlussfolgerungen ...«
»Nun, eigentlich ist es eine Wahrscheinlichkeitsmatrix und weniger streng syllogistische Logik ...«
»Sie folgten also diesem verrückten Voodoo-Zauber und beschlossen, eine bestimmte Tür zu bewachen. Und Sie hatten Glück.«
»Glück? Sie haben mir offenbar überhaupt nicht zugehört. Es ging darum, das Bayestheorem anzuwenden, um die konditionellen Wahrscheinlichkeiten auszurechnen. Wenn man die vorherigen Wahrscheinlichkeiten ausreichend beachtet, vermeidet man den Trugschluss, dass ...«
»Schon gut, schon gut. Die wirklich wichtige Frage betrifft ohnehin das Warum. Warum haben Sie mich gesucht?«
»Eine ganze Menge Leute sucht Sie. Ich kann nur für mich sprechen.« Caston legte eine Pause ein und fuhr dann fort: »Und das ist schon schwer genug. Vor ein paar Tagen wollte ich Sie nur aufspüren, um Sie unschädlich zu machen – eine Anomalie zu eliminieren. Aber inzwischen bin ich der Meinung, dass es eine noch viel größere Anomalie zu eliminieren gibt. Ich bin im Besitz einiger Eckdaten. Ich glaube, Sie besitzen einige andere Eckdaten. Wenn wir unsere Informationen zusammenwerfen - also einen größeren Ergebnisraum schaffen –, dann machen wir vielleicht Fortschritte.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie nicht in Ihrem Büro sitzen und Bleistifte spitzen.«
Caston schnaubte. »Man hat mich blockiert, um es mal deutlich auszudrücken. Ein paar ganz üble Maulwürfe wollen Sie unbedingt finden. Und ich will die Maulwürfe finden. Da überschneiden sich vielleicht unsere Interessen.«
»Mal sehen, ob ich Sie richtig verstanden habe«, sagte Ambler. Er sprach bewusst in leisem Gesprächstonfall, denn er
wusste, dass seine Stimme in der Geräuschkulisse des Schnellrestaurants keinen Meter weit dringen würde. Er scannte weiterhin die Umgebung. »Zuerst wollten Sie mich aufspüren, um mich auszuschalten. Jetzt wollen Sie diejenigen aufspüren, die mir auf den Fersen sind.«
»Genau.«
»Und danach?«
»Danach? Nun, danach sind Sie dran. Wenn ich die Maulwürfe am Kanthaken habe, werde ich Sie ausliefern. Und danach gehe ich wieder meine Bleistifte spitzen.«
»Sie erzählen mir einfach so, dass Sie mich am Ende ausliefern wollen? Um mich unschädlich zu machen? Warum um alles in der Welt erzählen Sie mir das?«
»Weil es die Wahrheit ist. Ich verabscheue Sie und Ihresgleichen.«
»Schmeicheleien bringen Sie auch nicht weiter.«
»Leute wie Sie sind eine Plage. Sie sind ein Cowboy, der für andere Cowboys arbeitet. Diese Leute haben keinen Respekt vor Regeln und Richtlinien und wollen immer die Abkürzung
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