Ambler-Warnung
denkbarer Flugbahnen virtueller Kugeln. Warum weiß jemand wie Sie überhaupt, wo die CIA hier ein sicheres Haus hat? Diese Information sollte von Rechts wegen überhaupt nicht auf Ihrem Radar auftauchen. Seit wann braucht ein Bürohengst wie Sie solche Informationen?«
»Sie verstehen meine Aufgabe immer noch nicht. Wer bezahlt die Miete? Wem werden die Rechnungen vorgelegt? Alles, was die CIA Geld kostet, erscheint auf meinem Radar. Ich bin ein Buchprüfer. Alles, was sich überprüfen lässt, gehört zu meinem Metier.«
Ambler schwieg einen Moment. »Und woher wissen Sie, dass das Haus im Moment nicht besetzt ist?«
»Weil der Mietvertrag Ende Januar ausläuft und wir ihn nicht verlängern werden. Und weil im Budget die Reinigungscrew aufgeführt ist, die die Bude nächste Woche ausräumen soll. Folglich steht das Haus zwar leer, aber die gesamte Ausrüstung ist noch dort. Ich habe mir vor meiner Abreise alle Abrechnungsdaten für Paris angesehen. Ich kann Ihnen sagen, dass das Haus in der Rue Bouchardon die CIA in den letzten vier Jahren pro Monat durchschnittlich umgerechnet 2830 Dollar gekostet hat. Dazu kommen noch, je nach Nutzung, variable Nebenkosten. Zum Beispiel Telefon- und Internetkosten in einer Größenordnung von ...««
»Schon gut, hören Sie auf. Ich hab’s verstanden.«
Das Haus in der Rue Bouchardon sah seltsam verlassen aus, die Steinfassade war mit Knöterich überwuchert, die Fenster waren schmutzig, das Türgitter aus schwarzem Metall war klapprig und voller Macken. Eine Straßenlampe in der Nähe summte und sprühte gelegentlich Funken.
»Wie kommen wir hinein?«, fragte Ambler.
»Das ist nicht mein Fachgebiet.« Caston wirkte beinahe empört. »Soll ich etwa die ganze Arbeit allein machen? Sie
sind der verdammte Agent. Sie werden doch wohl einbrechen gelernt haben.«
»Ach, Scheiße.« Im Gegensatz zu dem Parkhaus bei der Clinique du Louvre war das Haus von allen Seiten einsehbar, also musste er schnell arbeiten. Ambler kniete sich hin und löste seinen Schnürsenkel. Als er wieder aufstand, hielt er einen dünnen, flachen Schlüssel mit fünf kleinen Erhebungen zwischen den Kerben in der Hand. Ein sogenannter Schlagschlüssel. Um damit eine Tür aufzuschließen, brauchte man Geschicklichkeit und Glück. Ambler bezweifelte, dass er von beidem genug hatte. »Bleiben Sie hier«, sagte er.
Ambler lief zu einem Müllcontainer am Ende der kurzen Straße und kehrte einen Augenblick später mit einem schmutzigen Taschenbuch zurück, das jemand weggeworfen hatte. Aber es war dick, der Buchrücken steif. Es würde einen guten Fäustel abgeben. Ein Schlagschlüssel musste so stark gegen den unteren Stift im Schließzylinder geschlagen werden, dass der obere Stift einen Moment lang aus der Verzahnung sprang und dabei über die Scherlinie zeigte. In diesem einen Moment, bevor die Feder den oberen Zapfen wieder nach unten drückte, ließ sich der Schlüssel im Schloss drehen.
Zumindest theoretisch.
Praktisch funktionierte das fast nie. Es klappte nicht, wenn der obere Zapfen nicht hoch genug sprang, der untere Zapfen zu stark hoch gedrückt wurde oder der Schlüssel einen Sekundenbruchteil zu spät gedreht wurde.
Ambler positionierte den Schlagschlüssel vor dem Schlüsselloch und trieb ihn mithilfe des Taschenbuchrückens so heftig er konnte in den Schließzylinder. Beinahe gleichzeitig drehte er ihn.
Er konnte es kaum fassen. Es funktionierte – beim ersten
Versuch! Der Schlüssel drehte sich, das Schloss schnappte hörbar. Ambler drückte die Tür auf. Stolz auf seine Leistung, drehte er sich lächelnd zu Caston um.
Der Revisor unterdrückte ein Gähnen.
»Na endlich«, grummelte er. »Das hat ja ewig gedauert.«
Ambler war nahe daran, zu explodieren.
Jetzt, da sie im Gebäude waren, konnte Ambler sich für die Wohnungstür mehr Zeit nehmen. Er musste nicht befürchten, dass ihn dabei jemand erwischte, denn das Haus wirkte vollkommen unbewohnt. Aber das CIA-Team, das die Wohnung ausgerüstet hatte, war gründlich gewesen. Die Tür war mit einem soliden Bolzenschloss gesichert.
Ambler untersuchte die Konstruktion von allen Seiten und gab dann auf. Nur mit einem anständigen Werkzeugkasten hätte er vielleicht etwas ausrichten können.
Caston verbarg seine Verachtung nicht. »Können Sie denn gar nichts richtig machen? Sie sind doch der Superspion mit zwanzig Jahren Berufserfahrung in der PSU. Und nicht einmal das einfachste ...«
»Caston«, unterbrach Ambler. »Halten Sie
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