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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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wurden in internationalen Gewässern Raketen abgefeuert und so weiter und so fort. Die chinesische Marine hat einen französischen Flugzeugträger und britische Radar-Überwachungssysteme gekauft, gleichzeitig einen Kanal von der Provinz Yunnan zum Golf von Bengalen gebaut und sich so den Zugang zum Indischen Ozean gesichert. Bis jetzt sind das nur kleine Aktionen, die man meint, vernachlässigen zu können. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. Es sind Tests. Die chinesische Führung probiert aus, wie weit sie gehen kann, bis die internationale Staatengemeinschaft eingreift. Und wieder und wieder konnte sie sich davon überzeugen, wie zahnlos ihre Konkurrenten, ihre Rivalen sind. Denn genau das sind wir zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit: Rivalen.«

    Palmer verdeutlichte seinen Standpunkt mit beinahe beschwörender Stimme. »China lodert hell, und der Westen hat ihm den Treibstoff für seine Entwicklung geliefert. Durch die wirtschaftliche Liberalisierung hat China mehrere Hundert Milliarden Dollar Auslandskapital erwirtschaftet. Das BIP wächst um mehr als zehn Prozent pro Jahr, das hat noch keine andere Nation ohne massive soziale Umwälzungen verkraftet. Auch der Konsum nimmt in gigantischem Ausmaß zu. Der erwachte Drache wird in ein paar Jahren mehr als zehn Prozent des weltweit geförderten Erdöls trinken und ein Drittel des weltweit produzierten Stahls fressen. Allein als Konsument übt China einen überproportionalen Einfluss auf die Nationen Südostasiens, auf Korea, Japan und auch Taiwan, aus. Auch das Wachstum unserer eigenen Industriekonglomerate ist mehr und mehr vom chinesischen Dynamo abhängig. Kommt Ihnen diese Situation irgendwie bekannt vor, meine Damen und Herren?«
    Wieder legte Palmer eine Pause ein und sah seine unsichtbares Publikum ernst an. Sein Timing und seine Rhetorik waren meisterhaft. »Ich will es Ihnen erklären. Stellen Sie sich ein Land vor, das quasi eine zweite industrielle Revolution durchgemacht hat. Ein Land mit billigen Arbeitskräften, unbegrenztem Kapital und üppigen Ressourcen. Ein Land, das seine Wirtschaft zur am schnellsten wachsenden und effektivsten Wirtschaft der Welt gemacht hat. Ich spreche«, hier erhob er leicht die Stimme, »natürlich von den Vereinigten Staaten von Amerika in den frühen Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Wir alle wissen, was darauf folgte. Amerika durchlief eine Phase unangefochtener militärischer, industrieller, wirtschaftlicher und kultureller Vorherrschaft. Eine Periode der Macht und des Wohlstands, die wir gemeinhin als das amerikanische Jahrhundert bezeichnen.« Er konsultierte
kurz seine Notizen und fuhr dann fort: »Das amerikanische Jahrhundert war großartig und Respekt einflößend. Aber dass es ewig dauern würde, hat niemand behauptet. Und tatsächlich steht zu erwarten, dass es bald enden wird – und das einundzwanzigste Jahrhundert im Nachhinein als das chinesische Jahrhundert gelten wird.«
    Im Publikum wurde Gemurmel laut.
    »Ob dieser Umstand wünschens- oder beklagenswert ist, will ich als der Objektivität verpflichteter Wissenschaftler nicht entscheiden. Ich möchte nur auf die Ironie hinweisen, dass diese Entwicklung allein unseren Bemühungen zu verdanken sein wird. Die wohlmeinenden Amerikaner, die so zahlreich in unserer Außenpolitik vertreten sind, haben alles daran gesetzt, den Drachen zu wecken und ein nach innen orientiertes Reich für die Außenwelt zu öffnen. Mit den Folgen müssen unsere Kinder leben.« Mit leiser Stimme setzte er hinzu: »Oder daran zugrunde gehen.«
    Ambler erschauerte. Er versuchte, sich an andere Gesichter zu erinnern, die so viel Selbstüberzeugung und fanatischen Eifer ausgestrahlt hatten. Die Gesichter, die vor seinem geistigen Auge aufstiegen, waren alles andere als beruhigend: Dr. Abimael Guzman, der Gründer der peruanischen Terroristengruppe Leuchtender Pfad gehörte dazu. Auch David Koresh, der selbst ernannte Messias der Davidianer-Sekte, fiel ihm ein. Aber Ashton Palmer war von geschliffener Höflichkeit und wirkte durch seine angenehmen Umgangsformen viel harmloser als diese offensichtlichen Fanatiker. Und das machte ihn vermutlich noch viel gefährlicher.
    »Immer wieder haben unsere sogenannten >China-Experten< die Zeichen falsch gedeutet. Sie werden sich alle an die weit verbreiteten Unruhen erinnern, die in China ausbrachen, als bei einem amerikanischen Luftangriff versehentlich
die chinesische Botschaft von Belgrad getroffen wurde. Millionen Chinesen

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