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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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hatte Angs Förderer, der Zweite Vorsitzende der Kommunistischen Partei, ihnen das in gewisser Weise garantiert. Als die Funktionäre aber herausfanden, dass Ang keine Marionette war, steigerte sich ihre Unzufriedenheit zu dem Gefühl, dass man sie betrogen hatte. Bis jetzt hatte noch keiner gewagt, öffentlich gegen Ang vorzugehen. Wer sich mit einem derart populären Politiker anlegte, riskierte, das Erdbeben einer öffentlichen Rebellion auszulösen. Aber sie hatten ihn beobachtet und auf ihre Stunde gewartet. Und allmählich wurden sie ungeduldig.
Ein kleiner Kader war zu dem Schluss gekommen, dass Ang mit der Zeit nur noch mächtiger werden würde und dass etwas geschehen müsste, bevor es zu spät war.
    »Warum versucht ihr, meine loyalen Gefährten, mich in das zu verwandeln, was ich am meisten verabscheue?«, protestierte Liu Ang. »Man sagt, dass Macht korrumpiert, aber warum das geschieht, sagt niemand. Ich weiß es jetzt: genau so! Der Reformator beginnt, auf den Ratschlag der Feigheit zu hören. Ich weigere mich aber, das zu tun.«
    Chao konnte den Impuls, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, nur mit Mühe unterdrücken. »Halten Sie sich für unverwundbar?«, rief er mit blitzenden Augen. »Wenn jemand eine Kugel auf Ihr Reformerhirn abfeuert, prallt die Kugel dann ab? Wenn jemand ein Schwert an Ihre Reformerkehle hält, verbiegt sich die Klinge? Der Ratschlag der Feigheit, sagen Sie? Wie wäre es mit dem Ratschlag der Vernunft?«
    Es beruhte sowohl auf politischen als auch auf persönlichen Motiven, dass Chao dem jungen Präsidenten so ergeben war, aber die Hintergründe seiner Haltung blieben den meisten Beobachtern rätselhaft. Chao hatte jahrzehntelang für Chinas Geheimdienst gearbeitet und entsprach nicht dem Profil, das für Angs glühende Anhänger typisch war. Aber schon bevor Ang vor zwei Jahren zum Generalsekretär des Nationalen Volkskongresses und Vorsitzenden des Politbüros ernannt worden war, hatte Chao die Mischung aus Agilität und Integrität bewundert, die diesen Mann auszeichnete. Seiner Meinung nach vereinte er in sich die besten Züge des chinesischen Charakters. Außerdem hatte sich Chao während seiner gesamten Karriere mit den Kadern der Partei herumgeschlagen und dabei alle Illusion über den Staatsapparat verloren, den Ang auseinandernehmen wollte. In ihm gediehen nicht nur Faulheit, Eigennutz und Tücke, sondern vor allem
Selbstbetrug, für Chao die schwerste aller Sünden. Deshalb hatte er heute Abend auch so hitzig gesprochen. Der Präsident hatte grundlos protestiert: Chao wollte nicht, dass Liu Ang sich veränderte. Er wollte nur, dass Ang überlebte. Vorbeugende Aggression mochte dem Präsidenten vielleicht wie Tyrannei erscheinen, aber diese Tyrannei diente schließlich einem guten Zweck.
    »Sie wissen, dass Genosse Chao und ich nur selten einer Meinung sind«, sagte ein fünfzigjähriger Mann namens Wan Tsai, dessen große Augen hinter seiner mit Draht umrandeten Brille noch größer wirkten. »Aber diesmal stimme ich ihm zu. Wir müssen dem Prinzip der Vorsicht gehorchen.« Der Wirtschaftswissenschaftler Wan Tsai gehörte zu Angs ältesten Freunden. Tsai war derjenige, der Ang als jungen Mann dazu überredet hatte, innerhalb des Systems zu arbeiten; ein Schlag gegen den Status quo, der von innen kam, würde viel mehr Kraft entfalten als Kritik von außen. Im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern von Angs persönlichem Beraterstab hatte sich Wan Tsai nie Sorgen über die Geschwindigkeit der Reformen des jungen Präsidenten gemacht, sondern ihn sogar gedrängt, noch schneller noch umfassendere Reformen in die Wege zu leiten.
    »Lassen wir die Beschönigungen«, tadelte Ang. »Ihr wollt, dass ich eine Säuberungsaktion einleite.«
    »Sie sollen nur jene ausschalten, die Sie vernichten wollen!« , schrie Wan Tsai. »Das ist ein Akt der Notwehr!«
    Der Präsident sah seinen Mentor scharf an. »Schon der Weise Menzius fragte: Was nutzt Notwehr, wenn sie zerstört, was es zu schützen gilt?«
    »Sie wollen sich die Hände nicht schmutzig machen«, sagte Chao, dem das Blut ins Gesicht gestiegen war. »Wissen Sie was? Bald werden alle Ihre sauberen Hände bewundern – und
zwar bei Ihrer Beerdigung!« Chao, der sonst so stolz auf seine Selbstdisziplin war, atmete jetzt heftig. »Ich habe nicht viel Ahnung von Recht, Ökonomie oder Philosophie. Aber ich verstehe etwas von Sicherheit. Schließlich habe ich meine gesamte Karriere beim MSS verbracht. Der Weise Menzius hat auch

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