Ambra
holte ein Taschentuch unter ihrem Pullover hervor und tupfte sich damit über die Augen. Der blaue Kajal färbte auf das weiße Tuch ab. Noch immer überlegte ich, wie ich sie am besten abwimmeln könnte, da spürte ich, wie sie ihre Hand auf meinen Arm legte und hörte sie tränenerstickt flüstern, dass man mit mir doch sicherlich reden könne, immerhin sei ich doch auch eine Frau, nicht wahr, und von Frau zu Frau könne man doch sicher sein, dass –
Einen Moment bitte. Ich spreche mit meinem Partner darüber.
Ich nahm die Kette an mich und verschwand im Hinterraum, wo ich mir ausmalte, wirklich auf Bartosz zu treffen und wirklich eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Nebenan rührte Frau Masƚowska lautstark in ihrem Kaffee. Immerhin: Wer nicht da war, konnte sich auch nicht wehren. Und Frau Masƚowska würde sich noch wundern, was für ein strenger und unnachgiebiger Partner der fiktive Bartosz Mysza sein konnte. Ein letzter Blick auf die Kette, dann ging ich wieder nach draußen.
Schwieriger Fall, sagte ich, und legte Frau Masƚowska Besitz zurück auf den Tisch, knapp neben ihre Kaffeetasse.
Nicht wahr?, fragte sie. Ich wusste, ich war gut beraten, zu Ihnen zu kommen.
Leider fürchte ich, dass wir Ihnen nicht weiterhelfen können.
Wie bitte? Sie riss die Augen auf und griff erneut nach dem Taschentuch. Aber Sie sagen doch selber –
Mein Partner weigert sich, die Kette anzunehmen. Das Objekt scheint ihm zu unsicher zu sein.
Zu
unsicher?
Sie können gerne die Kette prüfen, so oft Sie wollen!
Mir sind die Hände gebunden. Die Entscheidungsbefugnis liegt beim Besitzer, Sie werden verstehen.
Nichts verstehe ich!
Frau Masƚowska war aufgestanden, in ihr Deo hatte sich eine Note Schweiß gemischt. Mit den Fäusten stützte sie sich auf dem Schreibtisch ab.
Ich muss Sie jetzt bitten, die Geschäftsräume zu verlassen.
Aber ich habe ein Recht darauf, wie jeder andere Kunde behandelt zu werden!
Sie werden wie jeder andere Kunde behandelt. Als Pfandleihe behalten wir uns das Recht vor, Objekte abzulehnen. Wenn ich Sie jetzt bitten darf – Ich stand auf, ging an ihr vorbei zur Tür und legte meine Hand auf die Klinke.
Einen Moment noch. Warum holen wir Ihren Partner nicht einmal selber dazu? Frau Masƚowska ging auf den Hinterraum zu, ihre Augen blitzten. Ich verfluchte Bartosz’ Abwesenheit. In diesem Moment aber spürte ich, wie jemand von außen an der Klinke zog, und dieser jemand war fast genauso gut wie Bartosz selber. Es war Andrzej, einer von Bartosz’ ehemaligen Kameraden, ich hatte ihn während der Einweihung der Pfandleihe kennengelernt.Er trug die Kluft ehemaliger Soldaten: Schwarze Jacke, Cargohosen und massive Stiefel. Den Rucksack, den er mit sich führte, bemerkte ich erst später. Andrzej war unrasiert, vielleicht sogar ungewaschen. Nichts hätte mir gleichgültiger sein können.
Gott sei Dank, sagte ich, und er: Gibt es Probleme?
Noch mehrere Minuten, nachdem Andrzej die Frau hinausbefördert hatte, hing der künstliche Geruch von Pfirsichen und Frangipani in der Luft. Ich räumte die Kaffeetasse zur Seite und öffnete die Fenster. Aus lauter Dankbarkeit für Andrzejs Hilfe hatte ich meinen letzten Vorrat an Schokoladenkeksen vor ihm auf einem Tellerchen ausgebreitet. Gleichgültig steckte er sich einen nach dem anderen in den Mund. Er wirkte unruhig, mir fiel auf, dass seine Mundwinkel eingerissen waren, die Lippen spröde. Was mochte ihm fehlen? Bis jetzt hatte ich immer gedacht, Bartosz sei der Schwächliche, der Lädierte. Anscheinend war er nicht der Einzige.
Wie geht es Bartosz?, fragte er unvermittelt. Warum ist er nicht hier?
Tja, wenn ich das wüsste, antwortete ich. Ich hätte jetzt gedacht, du könntest mir mehr darüber verraten. Wolltest du nicht zu ihm?
Andrzej wand sich auf seinem Stuhl, blickte zur Seite und legte einen Schokoladenkeks wieder zurück auf den Teller.
Nein, eigentlich nicht.
Ich nickte, in der Hoffnung, das würde ausreichen, um ihn weiterreden zu lassen. Bereits der zweite an diesem Tag, der ausdrücklich
nicht
Bartosz zu sprechen wünschte. Aus einer der offenen Flaschen unter meinem Schreibtisch goss ich mir Wasser in die leere Kaffeetasse,Andrzej lehnte dankend ab. Ich nippte an der Flüssigkeit und beobachtete ihn, wie er nach Worten suchte. Schließlich brachte er hervor, dass es wirklich warm hier drin sei und er jetzt erst mal seine Jacke ausziehen müsse. Den Rucksack stellte er vorsichtig auf den Stuhl neben sich.
Haben wir
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