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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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damals alle für eine Schwachsinnsidee gehalten, das mit der Pfandleihe. Hat ihm natürlich keiner so direkt gesagt, ich meine, wir wussten ja, woher er das hatte.
    Ich schwieg. Obwohl Bartosz selber nie offen mit mir darüber geredet hatte, konnte ich mir denken, was Andrzej meinte.
    Alleine hätte der das niemals durchgezogen. War für ihn die große Chance, dass du mitmachen wolltest. Na ja, was soll ich sagen. Ich sehe die anderen, die aufgehört haben. Keine Ahnung, wie es Bartosz so geht, aber mittlerweile glaube ich, das mit der Pfandleihe, das war vielleicht doch keine so schlechte Idee.
    Es ist eine Aufgabe, sagte ich. Ein Inhalt. Jedenfalls, wenn man sich damit beschäftigt. Eine Therapie ist es nicht.
    Bei dem Wort flackerte Andrzejs Blick über mein Gesicht, dann griff er nach seinem Rucksack und zog ihn herüber auf seinen Schoß.
    Deshalb hat er ja auch so ein Glück, dass du da bist. Ich meine, als Unterstützung. Sonst würde ich jetzt zum Beispiel vor verschlossenen Türen stehen.
    Das ist anzunehmen, ja.
    Ich beugte mich vor, so nah an ihn heran, dass ich die braunen Einsprengsel in seinen blauen Auge zählen konnte. Noch war nichts passiert, das Einzige, was ich bisher sicher wusste, war, dass Andrzej mit einer bestimmtenAbsicht hergekommen war, vielleicht hatte er sogar darauf spekuliert, mich hier alleine anzutreffen. Ich nahm mir vor, beizeiten darüber nachzudenken, ob ich bestimmt genug auftrat, ob mich die Leute ernst genug nahmen. Sofort klang meine Stimme etwas reservierter, kühler.
    Worum geht es denn? Weißt du, eigentlich wollte ich für heute bald schließen.
    Ach ja, richtig, richtig. Andrzej fuhr mit der Hand in den geöffneten Rucksack, zog sie aber leer wieder heraus.
    Ich weiß nicht ganz, wie ich es erklären soll.
    Du brauchst Geld, half ich ihm. Unvermutete Notsituation. Und da hast du zu Hause etwas gefunden, das vielleicht wertvoll ist und von dem du denkst, dass du dafür Geld bekommen könntest.
    So ist es, ja, sagte Andrzej. Ich meine, nein. Ich habe es nicht zu Hause gefunden. Ganz im Gegenteil.
    Er hustete und holte endlich ein sorgfältig verschnürtes Paket aus Packpapier aus dem Rucksack. Ich bat darum, dass er es öffnete, und reichte ihm eine Schere. Stumm zerschnitt er die Schnüre, schlug das Papier zur Seite und gab den Blick frei auf ein paar dunkelblau lasierte Kacheln, wenige Zentimeter lang, auf einer war vielleicht der Schwanz eines Tieres zu erkennen, auf einer anderen der Unterleib von etwas, das eine Antilope dargestellt haben mochte. Schon auf die dritte konnte ich mich kaum mehr konzentrieren, denn Andrzej hatte seinen Kopf gehoben, unbestimmt aus dem Fenster geblickt, wo jemand vorbeiging, aber ich, ich bemerkte davon nichts, denn für ein paar Sekunden sah ich nichts als Sand und ein paar Ruinen und plötzlich einen Soldaten, der ein paar vermummte Männer dabei aufgreift, wie sie in einem Steinhaufen herumwühlen,und ich hörte nicht, was Andrzej sagte, denn das einzige Wort, das meinen Kopf erfüllte, war
Babylon
, und dann war da noch das Bild von einer Soldatengruppe, die die Männer abführt, und einer von ihnen trägt den Sack, den die Männer vorher in der Hand gehabt haben, prall gefüllt ist er, und dann erlosch das Bild, und plötzlich waren da wieder die braunen Einsprengsel in blauen Augen und rissige Lippen und Mundwinkel.
    Ich habe alles abgegeben, was ich bei den Arschlöchern gefunden hatte, sagte Andrzej. Diese drei Täfelchen hier, die habe ich in einem Spind entdeckt, viel später, im Camp. Und dieser Spind, das will ich nur mal sagen, das war nicht meiner. Klar? Die Teile sind bei mir geblieben, stolz bin ich darauf nicht, das kannst du mir glauben.
    Du musst sie irgendwo abgeben, sagte ich ungläubig. Die müssen von unschätzbarem Wert sein. Aber nicht für uns, Mensch! Was soll ich dir denn dafür geben? Hundert Zƚoty? Und was mache ich dann damit, wenn du sie nicht abholst? Auf dem Flohmarkt verticken?
    Ich soll sie
abgeben
? Und wo, bitte schön? Bei der Polizei vielleicht? Andrzej lachte.
    Nimm sie schon. Ich hole sie ab, ganz bestimmt. Eines Tages werde ich sie zurückbringen. Viele von uns wollen zurückkehren, in die Wüste, nach Babylon. Wenn wieder Frieden ist.
    Wir nehmen Schmuck, Gold. Aber so was? Ich fürchte, ich kann dir nicht helfen.
    Andrzej nickte und packte langsam die blauen Tafeln wieder ein. Als er auch das Bändchen wieder verknotet hatte, schob er mir das Bündel über den Tisch.
    Ich lasse es trotzdem

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