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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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verrichten konnte, wenn sie mit fünftausend oder gar fünfzigtausend Zƚoty nach Hause gehen sollte. Die Pfandleihe könnte wieder auf die Beine gestellt werden oder wenigstens Bartosz sein Kapital zurückbekommen, und sie, Kinga, wäre fein raus aus dem Schlamassel, das sie angerichtet hatte.
    Als sie schon beinahe zu einem Entschluss gekommen war, öffnete sich die Tür, und in die Dämmerung schob sich eine behandschuhte Hand, die Kinga bekannt vorkam.
    Die Herrschaften wollen wissen, ob du nicht hereinkommen möchtest. Möchtest du? Oder genießt du noch ein bisschen die Aussicht?
    Kinga lachte auf, als sie Marios lange Gestalt erblickte. Er war erstaunlich braungebrannt, auf seinem Kopf thronte ein Zylinder – kurz fragte sich Kinga, ob es sich dabei wohl um Przemeks handelte –, und seine Gesichtszüge wirkten nicht so verkrampft wie im Varieté. Sie umarmten einander, und nach ein paar Scherzen ließ sich Kinga von ihm zur Garderobe führen. Zu spät bemerkte sie, dass ihr Pullover, der seit der letzten Wäsche etwas eng saß, und die graue Jeans nicht so recht zum Aufzug der anderen Gäste passen wollten: Mario selber war wie immer in einen tadellos sitzenden Anzug gekleidet, und die restlichen Gäste, die sich im Saal um ein paar Tische verteilten, trugen wenigstens Hemd mit Jackett. Sie sollte übrigens unrecht behalten: Im Saal waren auch einige Frauen anwesend, die sie mit herablassendem Blick musterten.
    Ich habe aber nur hundert Zƚoty, flüsterte Kinga aufZehenspitzen, um wenigstens ansatzweise Marios Ohr zu erreichen. Mario schien amüsiert, nahm aber den Schein, sagte: Ich bin gleich wieder da, Schätzchen, und ging hinüber zu dem kleinen Fensterchen, wo aus dem Schein ein kleiner Stapel bunter Jetons wurde. Kinga lehnte sich gegen einen Barhocker, der vor einem der Black-Jack-Tische stand. Zwei Männer und eine Frau in fuchsiarotem Ballonkleid schauten kurz auf, als der Croupier fragte, ob sie mitspiele. Sie schüttelte den Kopf und drehte sich zur Kasse um: Mario stand noch immer neben einem Herrn mit schütterem grauem Haar und deutete eine Verbeugung an.
    Einer der Kellner reichte Kinga unaufgefordert einen Drink. Nach einem Schluck – kurz überrascht davon, dass es sich um keinen Martini handelte, als könne man einzig Martini trinken, wenn Demoiselle Maya oder Mario in der Nähe waren –, hielt sie sich an ihrem Glas fest und versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu wirken. Als Mario zurückkam, war ihr Glas bereits leer, dafür wirkte sie etwas sicherer.
    Hier hast du sie. Ich hab noch mal tausend draufgelegt. Aus alter Freundschaft. Die Jetons lagen kühl und glatt in Kingas Hand, einzeln ließ sie sie durch ihre Finger gleiten. Sie bedankte sich, begleitete Mario zu einem der Roulettetische und fragte ihn, kurz bevor sie Platz nahmen, ob er öfter ins Casino gehe. Mario sah sich wie beiläufig um und erwiderte, dass er heute zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder hier sei: Er sei gerade aus dem Ausland zurückgekommen, Südfrankreich, außerdem Italien, Monaco. Ja, er habe etwas Geld gewonnen, an genau diesem Tisch, und wer wolle nicht dem nordischen Frühling entkommen? Die Wärme sei seiner Gesundheit förderlich, er sei ja nicht mehr der Allerjüngste.
    Kinga war beeindruckt, als Mario ihr zuflüsterte, wie viel Geld genau er gewonnen hatte, und setzte nach der Aufforderung des Croupiers hundert Zƚoty auf Schwarz und Ungerade. Der Croupier, ein junger Mann mit unbewegtem Blick, nickte, setzte die Roulettescheibe in Bewegung und warf die Kugel hinein.
    Als diese langsamer wurde und endlich fiel, hatte Kinga ihren Gewinn verdoppelt. Der Croupier lächelte ihr freundlich zu, Mario klopfte ihr auf die Schulter, und so setzte sie erneut, diesmal hundert auf Rot und Ungerade. Die Kugel sirrte in ihrem Kessel umher, und Kinga sah rot, begriff nicht ganz, wie ihr geschah, aber sie gewann, das Schicksal hatte sie als Gewinnerin auserkoren, das war nicht zu übersehen. Der Croupier gratulierte ihr, und sie, auf ein Zwinkern Marios hin, überließ ihm ein paar der Jetons als Trinkgeld. Bevor sie erneut setzen konnte, zog Mario sie fort vom Roulettetisch und sagte, es sei an der Zeit, kurz durchzuatmen. Genau damit würde das Casino schließlich rechnen: dass man besinnungslos weiterspiele und im Laufe des Abends allen Gewinn, den man erzielte, wieder verspielte, und noch mehr darüber hinaus. Ob sie das wolle? Kinga schüttelte den Kopf. O nein: Dafür sei sie nicht hierhergekommen.
    Ich

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