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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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dass sich ihre Jetons weiterhin wie die Karnickel vermehrten. Aber über die Karnickel war eine Seuche gekommen, die sie alle dahingerafft hatte, kein einziges hatte sie verschont. Mario hatte schwere Not, Kingas Bettelei, ihr doch Geld zu leihen, abzuwehren, ihr auszureden, dass sie eine Glückssträhne habe, die Gelegenheit, alles wiedergutzumachen und noch viel, viel mehr Geld zu gewinnen …
    Die Gelegenheit ist vorbei, Kinga, sagte Mario, aber Kinga hörte nicht auf ihn. Ihr war etwas eingefallen. Sie rannte hinaus, in Richtung der kleinen Gasse, in der sich die Pfandleihe befand.
     

    Mein Herz raste. Erst nach einer Weile begriff ich, dass ich zu Bronka rannte, um ihr zu erzählen, was geschehen war. Kurz vor der Steinschleuse blieb ich stehen und schloss die Augen. Ein leichter Wind kühlte den Schweiß auf meiner Stirn, die Sonne brach durch die Wolkendecke und malte orangefarbene Ringe auf die Rückseite meiner Lider. Plötzlich fiel mir ein, dass Bronka und Brunon womöglich gar nicht zu Hause waren. Ich suchte nachmeinem Handy und wählte ihre Nummer. Jemand hob ab. Es war Bartosz. Schnell legte ich auf.
    Ein paar ältere Damen sahen mich mit aufgerissenen Augen an, einer wäre beinahe die Tüte aus der Hand gefallen. Der Schweiß war mir in die Augen geronnen, brannte unter meinen Kontaktlinsen, was scherten mich da Nachbarn, die gesehen hatten, wie die Tür der Pfandleihe aufgeschwungen und ich hinausgeflogen war und
Rokas!
gebrüllt hatte, aber da war er natürlich schon über alle Berge gewesen. Zwei Stunden hatten ausgereicht, um alles, alles zu sabotieren, zu demolieren, was Bartosz und ich uns aufgebaut hatten, und dass Rokas mich betrogen hatte, das will mir bis heute nicht in den Kopf gehen.
    Am Morgen nach dem Fiasko mit den Fassaden war ich wie gewöhnlich in die Pfandleihe gegangen, immerhin war es ein Dienstag. Bartosz war dazu wieder nicht in der Lage gewesen, der war zu Hause bei seinen Computerspielen, das bisschen Wirklichkeit hatte ihm den Rest gegeben. Die Typen von der Polizei hatten Rokas festgehalten, und er hatte schnell gesagt, dass wir damit nichts zu tun hätten, dass wir bloß zufällig dabeistünden, und die Typen hatten nichts kapiert, da sind wir schnell weg, Albina und ich, und Renia ist mit Bartosz zusammen abgehauen. Die feine Art war das nicht gewesen, Rokas alleinzulassen. Vielleicht fühlte ich mich deshalb auch irgendwie in seiner Schuld, als er in der Pfandleihe auftauchte und mich, eine Freundin, um Hilfe bat, das letzte Mal, wie er sagte.
     
    Dem Desaster in der Fußgängerzone in den geschützten Raum der Pfandleihe entkommen, traute ich mich kaum, das Licht anzumachen – aus Angst, die Polizeikönnte doch noch Interesse an mir entwickeln. Ein Wunder, dass sie uns überhaupt hatten gehen lassen, aber die waren wohl überfordert gewesen, überall bloß Holz und Plakate und der Laster und dann wir mitten drin. Nach ein paar Minuten, als ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte, knipste ich doch meine Schreibtischlampe an. Draußen wurde es langsam hell, die ersten Passanten waren unterwegs und guckten in die Auslage, ein paar Broschen lagen da und Münzen und Ketten, nichts Wertvolles. Ein älterer Herr mit zerknautschtem Filzhut konnte sich gar nicht trennen vom Anblick einer alten Taschenuhr, ich war mir sicher, der würde gleich reinkommen und nach ihr fragen, aber nach ein paar Minuten schickte er mir einen misstrauischen Blick und ging weiter. Enttäuscht stand ich auf und schaltete die Kaffeemaschine ein. Es war gerade noch genug Kaffee für eine Kanne da. Ich wusste nicht, ob und wann Arkadiusz kommen würde, und so fing ich an, den Silberschmuck, den er neulich angenommen hatte, zu putzen und herzurichten. Ein paar schöne Sachen waren darunter gewesen, Ohrringe mit Amethysten und Armbänder mit Turmalinen. Der Kaffee wärmte von innen, er beruhigte mich immer, und schließlich war es so hell, dass ich die Lampe ausknipsen konnte. Der Herr kam zurück, wollte die Taschenuhr aus der Auslage sehen und bezahlte, ohne zu handeln. Alles, alles wies auf einen guten Tag hin, bis Rokas auftauchte, mit einem wirren Blick und noch unordentlicherem Haar als gewöhnlich.
    Haben sie dich gehen lassen, stellte ich fest, kaum, dass er die Tür der Pfandleihe hinter sich geschlossen hatte. Erleichtert stand ich auf und ging auf ihn zu, wollte mich vergewissern, dass es ihm gutging, aber erwich zurück. Schließlich flüsterte er, dass man ihn bedroht habe. Wegen

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