Ambra
Rokas lachte lautlos und stieg zu den Männern in den Laster. Der Motor sprang an, noch bevor er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Bartosz zuckte mit den Schultern und ließ uns in den Transporter einsteigen. Zu viert nahmen wir Platz auf den Sitzen und fuhren so langsam und möglichst leise zu Haus Nummer eins, vor dem bereits die Hebebühne parkte. Wir stellten uns direkt hinter sie.
Weiter hinten auf dem Marktplatz sahen wir jemanden von unseren Leuten stehen, der den Arm hob und winkte. Wir stiegen aus und begannen, die Rahmen und die Folie auszuladen. Die Teile, die sich besonders leicht an Fensterrahmen und Regenrinnen verankern ließen, hatte Rokas gekennzeichnet, ebenso diejenigen, die als unterste Schicht und somit als Fundament dienen sollten. Nach kurzer Absprache blieben Bartosz und ich im Innern des Transporters und reichten die Rahmen hinaus an Rokas und Albina, die sie ineinander verhakten und gegen die Wand lehnten. Später würde die Folie an ihnen festgemacht werden, auf diese Weise, sagte Rokas, riskierte man nicht, dass sie bei einem Windstoß oder in Begleitung eines Schwarms besonders rabiater Tauben gen Himmel flogen. Renia ging mit ihrer Fotokamera hin und her und kümmerte sich um die Dokumentation, auf die Rokas großen Wert legte.
Innerhalb kurzer Zeit hatten wir die Rahmen an der Traufe befestigt, es fehlte nur noch die Folie. Als sich Rokas daranmachte, die Rolle zu öffnen, blieb Bartosz für einen Moment am Ende der Ladefläche stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Große Kunst … Weißt du, was große Kunst ist?
Keine Ahnung, antwortete ich und schob ihm drei weitere Rahmen entgegen. Mit seinen Freunden umspringen zu können, wie man will, und hinterher ist einem trotzdem niemand böse?
Ach, komm. Er nahm die Rahmen und reichte sie anAlbina weiter, die, als sie hörte, was ich gesagt hatte, zischte und den Zeigefinger an die Lippen führte.
Bartosz senkte seine Stimme. Nur weil du jetzt ein paar Wochen lang alleine in der Pfandleihe warst! Das reicht nicht für eine Märtyrerin. Sei ein bisschen großherzig, Kingalein. Sei ein bisschen polnisch. Mir zuliebe.
Gerade als ich ihn fragen wollte, was mich denn sonst noch zur Märtyrerin qualifizieren würde, hörten wir, wie sich ein Auto näherte. Ein paar Straßen weiter brüllte jemand, dann klang es, als würde jemand gegen Blech treten. Ein Motor heulte auf. Renia ließ vor Schreck beinahe die Kamera fallen, Rokas schimpfte. Unser Schutzschild funktioniere bestens, das könne man doch hören.
Zusammen hievten wir die Rolle mit der Folie auf die Bühne und tackerten sie an den Rahmen fest. Als wir fertig waren, überraschte uns unsere eigene Spiegelung: eine Gruppe von staubigen Aktivisten vor einer Hebebühne. Renia schoss noch ein paar Fotos, dann fuhren wir hinüber zu Haus Nummer zwei. Irgendwo in der Nachbarschaft ging ein Licht an.
Keine Sorge, sagte Rokas. In zwei Tagen gibt es Konzerte in der Innenstadt, die Leute werden glauben, hier würden schon die Bühnen aufgebaut. Die sind Lärm aller Art gewohnt.
An der zweiten Häuserzeile ging die Arbeit langsamer voran. Uns taten die Hände weh, und trotz der Lederhandschuhe, die ich trug, hatte ich bereits mehrere Blasen. Bartosz und Albina bissen die Zähne zusammen. Wie ein Besessener hängte Rokas Rahmen an Rahmen, ich war nicht einmal halb so schnell wie er. Schweiß perlte auf seiner Stirn, wann immer der Mond durch die Wolken brach, glitzerten sie auf. Ab und zu sah ich nachhinten, aber wir waren anscheinend unbemerkt geblieben, so unwahrscheinlich das auch sein mochte.
Wir hatten nicht einmal die Hälfte geschafft, als plötzlich ein Hund bellend vom Fluss her in unsere Richtung raste. Bartosz brüllte
Cudny
, Rokas fluchte, und im selben Moment schoss ein Auto der Stadtpolizei aus der Gasse hinter dem Rathaus hervor. Dicht hinter ihm folgten die laut skandierenden Männer, die von Rokas bezahlt worden waren, irgendwo weiter draußen ertönten Polizeisirenen. Die Stadtpolizei hielt quietschend an, zwei Männer stiegen aus, und gerade als Rokas sich ihnen zuwandte, verlor er das Gleichgewicht, geriet ins Schwanken und prallte gegen die Rahmen, die er an den oberen Fenstern befestigt hatte. Eine Sekunde lang verharrte die Verschalung in der Schwebe, dann löste sie sich mit einem sanften Schmatzen von der Wand und stürzte auf uns nieder.
Ihr seid am Arsch, sagte einer der Polizisten, nachdem sie näher gekommen waren und sich vergewissert hatten,
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