Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
Vom Netzwerk:
zum Beispiel, die tue zwar so, als wenn alles in Ordnung sei, dabei sei gar nichts in Ordnung, und schuld daran sei dieser Job. Ob ich kapiert hätte?
    Nein, sagte ich. Wer ist noch mal Demoiselle Maya?
     
    Am nächsten Tag, Renia war nicht in der Wohnung erschienen, machte ich mich auf den Weg zu der Straße, die mir Albina beschrieben hatte. Das Elektronikgeschäft lag versteckt hinter ein paar Baucontainern mit Schutt, dem ein paar junge Birken und jede Menge Schafgarbe entwuchsen. »Marios Welt« stand in verblichenen roten Buchstaben über der Tür. Wer immer in dieser Gasse den Mut gehabt hatte, einen Laden mit Elektronik zu eröffnen, war nicht dafür belohnt worden. Ich war enttäuscht, sicher, am falschen Ort zu sein, und dabei hatte ich mich beherrschen müssen, nicht schon viel früher loszugehen. Auf meine Anrufe hatte Renia nicht reagiert, sie musste ihr Handy ausgeschaltet haben. Wie sollte ich mich auf das Gespräch vorbereiten, wenn ich nicht einmal ahnte, wie sie meine Offenbarung aufgenommen hatte?
    Hinter der Scheibe des Geschäftes war es dunkel. Die wenigen Pappschachteln, die noch in der Auslage zu sehen waren und auf ein paar Regalen ihr Dasein fristeten, waren vergilbt und zeigten Geräte, wie sie vor ein paar Jahren modern gewesen sein mochten. Spinnweben und Überreste von Pollen und Blättern hatten sich im Gitter der Eingangstür verfangen, und so dick, wie der Taubendreck auf den Stufen vor der Tür lag, hielt ich es für unmöglich, dass jemand in letzter Zeit diesen Ortbetreten hatte.
PÜNKTLICH
, stand auf dem Zettel, der sich in meiner Hosentasche knüllte. Über dem P prangte eine winzige preußische Pickelhaube, die Sache war also ernst.
    Es war bereits fünf nach vier, als ich die Klinke hinunterdrückte und den Raum betrat. Wenn jemand kommen und fragen sollte, was ich hier tat, würde ich einfach sagen, ich hätte mich verlaufen. Einer Touristin würde man das sicher abnehmen. Die Tür zu einem hinteren Raum stand halb offen, hell war es dahinter, ich meinte, einen Hauch von Patchouli zu riechen, und trat etwas näher.
    Na endlich, sagte eine Stimme. Ich dachte schon, du würdest dich nie hertrauen.
    Renia?, fragte ich und ging ein paar Schritte weiter. Natürlich hatte ich bemerkt, dass es sich unmöglich um Renias Stimme handeln konnte, Renias Stimme war von einer angenehmen hohen Tonlage, diese Stimme aber war anders, tief und rauchig, aber da sie mich angesprochen hatte, folgte ich ihr.
    Guten Tag, sagte ich und dann gar nichts mehr, denn die Betrachtung der Person vor mir nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Auf dem silberfarbenen Aluminiumstühlchen thronte eine Dame, weit über sechzig, in schwarz-violettem Kostüm, dick Kajal auf den faltigen Augenlidern und eine Zigarette an einer Elfenbeinspitze genüsslich zu ihrem Mund führend. Sie musterte mich von oben bis unten.
    Ich bin Maya, sagte sie. Renia hat mir von dir erzählt. Möchtest du einen Kaffee?
    Sie lächelte, als sie bemerkte, dass ich unschlüssig war, ob ich sitzen oder stehen wollte. Mit einer raschen Handbewegung schob sie einen Stuhl zur Seite, und sosetzte ich mich vor eine dampfende Tasse, deren Inhalt sich später als Tütencappuccino entpuppen sollte. Ich fragte, was das eigentlich für ein Geschäft sei, in dem wir uns befanden. Maya sog an ihrer Zigarette und betrachtete mein Gesicht. Sie sah mir nicht in die Augen.
    Ach, das, sagte sie. Mario war zu faul, das Schild abzumachen. Das hier ist unsere Kantine, unser Café, wenn du so willst. Den vorderen Raum benutzen wir nicht. Eigentlich kommt man hier herein. Sie deutete auf eine Tür, die auf einen Hof führte. Die Vorstellungen dauern manchmal bis spät in die Nacht. Wir haben auch ein paar Matratzen, manchmal schläft einer der Künstler hier. Vor Erschöpfung, du verstehst.
    Ich nickte, obwohl ich gar nichts verstand.
    Also, wie ist es? Maya drückte die Zigarette auf dem Unterteller ihrer Tasse aus.
    Wie ist was?, fragte ich. Mir wurde zunehmend unwohl. Ich überlegte, rasch meine Tasse zu leeren und zu Hause auf Renia zu warten.
    Renia hat erzählt, dass du Geldprobleme hast.
    Unsinn, sagte ich. Dann rechnete ich nach. Der Kurs stand gerade sehr schlecht, das stimmte, außerdem hatte ich vorerst keine Einnahmen. Pleite war ich zwar nicht, trotzdem würde das Geld nicht besonders lange reichen.
    Jedenfalls sind noch keine in Sicht. Darf ich fragen, warum Sie sich für meine Finanzen interessieren?
    Ich interessiere mich nicht für deine

Weitere Kostenlose Bücher