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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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mittlerweile wieder zu uns vorgedrängelt hatte, sagte ich, dass ja keiner gezwungen werde, in den Krieg zu ziehen. Dass das eine ganz bewusste Entscheidung sei, man könne doch ebenso gut Klempner werden oder Tischler, nicht wahr, aber es gebe eben Leute, die zögen es vor, sich und andere in Gefahr zu bringen. Das sei höchstens besorgniserregend, aber traurig?
    Geh doch mal hin und rede mit denen, sagte Bartosz hinter mir, und ich zuckte zusammen.
    Nein, vielen Dank.
    Aber warum denn nicht?
    Unsanft schob er ein paar Gäste zur Seite und bahnte sich seinen Weg zu den Kameraden. Mit mir im Schlepptau blieb er schließlich vor einem von ihnen stehen. Ich setzte ein Lächeln auf und begrüßte die Runde, wovon aber niemand Notiz nahm.
    Das ist Andrzej, sagte er. Andrzej, das ist Kinga, aber das weißt du ja. Was du nicht weißt: Kinga interessiert sich für das Militär.
    Der Hüne vor mir hatte ganz offensichtlich schon einiges an Bier getrunken, sein Kopf war hochrot, die blauen Augen waren starr auf Bartosz gerichtet, als hätte er Probleme, die Worte nachzuvollziehen.
    Willst du mich verarschen, sagte er schließlich. Bartosz tat entrüstet und stieß mich in die Seite. Na los, frag ihn schon. Wie sich das verhält, mit der Entscheidungsfreiheit.
    Was sollst du mich fragen? Andrzej schien auf einen Schlag ausgenüchtert. Seine leere Flasche hatte er hinter sich in die Auslage gestellt.
    Ob du noch ein Bier möchtest, natürlich, sagte ich. Immerhin bist du unser Gast. Bartosz lachte. Ich drehte mich zu Renia um, aber
     
    los…, loslassen sollst du mich, schrie ich, schrie Hilfe, Hilfe, wie in den Filmen, in denen die Frauen um Hilfe schrien und fast den Verstand verloren. Am Anfang dachte ich, es wäre der fette Goerke, aber es war nicht der fette Goerke, es war einfach irgendein Arschloch, das mich gesehen hatte, wie ich nach Hause ging, unter irgendeiner Laterne sah er mich vorbeigehen, und ich fühlte mich sicher, wie oft war ich diesen Weg denn schon gegangen, fünfzig-, hundertmal bestimmt, auf dem Weg vom Varieté in der Nacht fühlte ich mich sicherer als am Tag, mich musste niemand begleiten, alle Angebote schlug ich ab und sagte, ich sei ein großes Mädchen, das auf sich alleine aufpassen könne, es war so ein schönes, so ein gutes Bild, das ich von mir hatte. Ich war in die Stadt gekommen, bekam einen Job, lebte, gut
ging es mir, und so sollte es weitergehen, nichts im Leben sollte sich jemals verschlechtern müssen.
    Aber da tauchte dieser Affe an der Straßenbiegung auf, humpelte auf mich zu, und gerade, als ich an ihm vorbeiwollte, packte er mich an meinem Schal und an meinem Wintermantel und glotzte mich an, und ich schrie und schrie, aber hier waren keine Häuser, keine Wohnblocks, kein Mensch war auf der Straße, es war eine Nacht im tiefsten Winter. Der Typ schüttelte mich, als sei ich ein Sparschwein, aus dem man die Münzen herausschütteln musste, aber ich hatte ja nichts bei mir, nur ein bisschen Kleingeld, das wollte der mir aber nicht glauben, sondern schüttelte und schüttelte … Da packte ihn jemand von hinten, verpasste ihm einen Haken, dass der Typ in die Büsche fiel und stöhnte, und ich stand auf der Straße und zitterte und konnte es nicht glauben: Bartosz stand da, zitterte ebenfalls, aber vor Wut, und wie wir da standen und zitterten, mussten wir plötzlich lachen, aber bei mir kippte das Lachen schnell in ein Weinen um. Bartosz nahm mich in den Arm und sagte, dass wir jetzt die Polizei rufen müssten, weil das Arschloch sonst in der Kälte erfrieren würde, und das wäre doch hässlich, oder, und so rief er die Polizei an, und als er wieder auflegte, fragte ich ihn, was um alles in der Welt er um diese Zeit noch hier gemacht habe, sicher, ich hätte ihn im Varieté gesehen, aber er wohne doch ganz woanders – da lächelte Bartosz, vielleicht schämte er sich ein bisschen, er, der gerade den Gorilla vermöbelt hatte, denn seine Stimme klang ganz leise und weich, als er sagte, er habe sich eben Sorgen gemacht um mich, Kinga und die anderen seien in der Bar verschwunden, ich als Einzige habe mich auf den Weg nach Hause gemacht, gefährlich sei so etwas, das müsse ich doch wissen.
    Ich war noch immer so erschrocken, dass ich erst einmal gar nichts sagte, oder nur so viel, dass ich jetzt in meine Wohnung wollte, mir war kalt, und außerdem taten mir die Arme weh, die Stellen, an denen der Typ mich so gepackt und gerüttelt hatte, und da strich sich Bartosz über sein Kinn, es

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