Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
Vom Netzwerk:
Kurz brachte mich ihr Gewicht zum Schwanken, aber rechtzeitig, bevor ich mit ihnen über das Eis hinunter zum Fluss galoppierte, fing ich mich. Ich hielt das Holz im engsten Schwitzkasten, den ich zustande brachte, o ja, ich war eine würdige Vertreterin meiner Art, eine richtige Mischa, wenn ich auch aus dem Holz keinen Tisch und keinen Schrank fertigen konnte, festhalten konnte ich es allemal.
    Gut machst du das. Rokas’ Gesicht war kaum zu erkennen, aber seine Stimme klang zufrieden.
    Was tut man nicht alles für seinen Musiker.
    Deine Wertschätzung ist mir die teuerste Bezahlung.
    Ich dachte, das wäre schon der Kwas. Rokas lachte und kam mit einer Tüte voller Packbandrollen heraus. So, es kann losgehen. Kinga, deine Aufgabe wird sein, das Ganze festzuhalten, während Albina und ich alles arrangieren und ineinander verhaken. Ist noch provisorisch,ich will nur kontrollieren, ob die Proportionen tatsächlich stimmen.
    Vorsichtig versuchte ich, zur Fassade des Hauses zu gelangen. Hier war das Eis nicht ganz so dick, es fanden sich sogar einige freie Stellen. Todesmutig rutschte ich um die Ecke und spähte die Straße hinunter: Noch immer war niemand zu sehen. Das konnte sich jeden Moment ändern, natürlich, und dann was? Ich hoffte, Albina und Rokas hatten wenigstens irgendwelche gefälschten Schreiben vom Kulturamt dabei, die sie zu diesem Blödsinn legitimierten. Leider war wahrscheinlicher, dass Rokas einfach von Anfang an ausgeschlossen hatte, dass etwas schiefgehen würde. Einfach so, mit einem Selbst- und einem Gottvertrauen, das bestürzte, mich jedenfalls.
    Im Geiste sah ich schon die Schlagzeile vor mir: Betreiberin einer neuen Pfandleihe festgenommen wegen Beihilfe zu Vandalismus. Geschäftspartner ehemaliger Soldat. Polnische Armee außer Rand und Band … Bartosz würde mich aufknüpfen, wenn etwas in der Art passierte.
    Rokas sprang vom Anhänger und hievte etwa fünf der Rahmengebilde heraus, die er ächzend vor seinen Füßen abstellte.
    So, das wär’s. Und jetzt schnell.
     

    Ihre Stimmen schallten über den ganzen Rathausplatz, für jedermann deutlich hörbar, der sich mehr oder weniger zufällig in der Nähe befand.
    Hatte doch jeder bemerkt, wie laut Kinga Bartosz draußen auf der Gasse beschimpft hatte, wie er versucht hatte, sie zu beruhigen, und sie sich schließlich darauf geeinigt hatten, ihr Gespräch an einen anderen Ort zuverlegen, wo sich keine Gäste die Nasen an der Ladenscheibe plattdrücken würden, nur um zu verfolgen, wie man sich in die Haare bekam. Aber nach draußen zu gehen, um einzugreifen, nein, dazu hatte sich sonst niemand aufraffen können. Einzig Renia, die zwar nicht ganz begriffen hatte, weshalb sie sich stritten, war kurz, nachdem sie verschwunden waren, hinter ihnen hergerannt und im Dunkel der Gasse verschwunden. Sie musste über das Eis geflogen sein, einfach darüber hinweggeschwebt – Kröger nämlich, der sich einer profaneren Fortbewegungsweise bediente, schlitterte und rutschte und landete mehrmals auf seinem Allerwertesten, so dass er mit einigen Minuten Verspätung zur Aufführung erschien. Kinga glänzte in ihrer Rolle.
    Breitbeinig stand sie vor Bartosz, eine Hand hoch über ihren Kopf erhoben, als wolle sie auch Neptuns Zorn beschwören und auf Bartosz niedergehen lassen, der seinen Schädel dem Himmel und der Kälte entgegenstreckte, Kinga schließlich bei den Schultern packte und ein wenig schüttelte, um sie zur Besinnung zu bringen. Atemlos schrie sie, dass es eine Schande sei, jawohl, dass es so weit gekommen sei und sie die eigene Feier verlassen mussten, und alles nur, weil er, Bartosz, sich wie ein Trottel benehmen würde, ein Pavian, ein unterentwickelter, schwachbrüstiger –
    An dieser Stelle wurde ein Fenster aufgerissen, jemand brüllte: Ruhe!, und für einen Moment verstummte Kinga und rang nach Atem. Bartosz ließ von ihr ab. Wo war Renia geblieben? Eigentlich hätte sie längst vor Ort sein müssen, bereit, zu intervenieren, den Streit abzuwenden, den sie ausgelöst hatte, aber den ganzen Weg vom Stadttor hinunter zum Fluss, vorbei am Rathaus und allen Patrizierhäusern, fand sich keine Menschenseele – bisauf Kröger natürlich, der sich hinter einem Anhänger versteckte, bereit, jederzeit die beiden davon abzuhalten, sich etwas anzutun.
    Kinga verschränkte ihre Arme vor der Brust, beherrschte sich mühsam, ihre Stimme klang gepresst, als sie erneut ansetzte, dieses Mal etwas leiser. Weißt du eigentlich, was du da tust? Nein,

Weitere Kostenlose Bücher