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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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und lieber verdursten.
    Bartosz stand verdutzt auf und drückte einem der Fremden die Flasche in die Hand. Als die Fremden mit der Colaflasche in der Hand das Lokal verließen, bemerkte ich, wie käsig Rokas’ Gesicht aussah, als müsse ersich gleich erbrechen; auf die Party, die Leute, auf das Geschäft selber.
    Ich erinnerte mich, dass mein Vater immer von Vorzeichen gesprochen hatte, dass man sie nur richtig deuten müsse, dann wisse man schon, wohin etwas führe oder wie es ausgehe, aber darauf verstand ich mich damals nicht und tue es noch immer nicht. Jedenfalls war Rokas erschöpft, dehydriert, da war es nur logisch, dass er Albina ein Zeichen gab und sich von ihr nach draußen begleiten ließ. So schnell wie möglich verließ auch ich die Party, in der Hoffnung, einen geöffneten, gut sortierten Getränkeladen zu finden. Aufmunternd klopfte ich Rokas auf den Rücken.
    Also schön, los jetzt, sagte er. Das Ganze hat ja ewig gedauert. Er drehte sich zu Albina. Ich dachte, du hättest ihr Bescheid gesagt, und ich stehe da und spiele und spiele und … Seufzend zog er seine Mütze tiefer in die Stirn, das Licht der Straßenlaterne warf dunkle Schatten unter seine Augen. Er wandte sich zu mir. Tut mir leid wegen dem Durcheinander. Die Kiste ist übrigens unter der Fensterbank.
    Du hast sie extra – ich lachte fassungslos.
    Natürlich, sagte er und lächelte breit. Kwas kann ich genauso wenig leiden wie das andere Zeug, Coca-Cola oder wie das heißt. Und jetzt kommt schon, Mädels, wenn wir Pech haben, sind wir bereits aufgeflogen.
     
    Wir fassten uns an den Händen und machten uns schlitternd auf den Weg zur Hauptstraße. Es gehe nur um eine kleine Probe, sagte Rokas, es handle sich um
das Projekt
. Trotz der Party. Trotz des Schnees. Es würde wirklich ganz schnell gehen.
    Von schnell konnte keine Rede sein. Tatsächlich türmtensich an den Seiten der Gassen die Schneemassen zu Miniaturgebirgen auf, die eine so bizarre Höhe erreichten, dass wir uns fragten, was darunter vergraben liegen und erst im nächsten Frühjahr wieder zum Vorschein kommen mochte: ein besonders kleines Auto, etwa ein erbsengrüner Fiat Polski? Eine Mülltonne? Rund fünfhundert gebündelte Exemplare der Gazeta Wyborcza? Ein Quartalstrinker von nebenan, den niemand vermisste?
    Immer wieder auf den Halt der Fassaden und Straßenlaternen angewiesen, kamen wir schließlich an unserem Ziel an. Ein paar Meter von uns entfernt hingen Eiszapfen vom Brunnen, sie reflektierten das Licht der Straßenlaternen. Für die lächerliche Distanz von wenigen hundert Metern hatten wir über zwanzig Minuten gebraucht. Bis hinunter zum Fluss war niemand zu sehen, kein Liebespärchen, keine Stadtmiliz, nicht einmal ein einzelner Betrunkener. Rokas’ warme Hand knetete meine Finger, als wir auf den Brunnen zugingen.
    Perfekt, flüsterte Rokas. Keiner hat ihn angerührt. Albina und ich hakten uns unter, und während Rokas zu einem Anhänger schlitterte, der tatsächlich an der seitlichen Flanke des Rathauses stand, erklärte sie mir, dass es längst Zeit geworden sei für einen Test, ob die obere Befestigung auch wirklich an der Fassade haften würde. An der Wand der Werkstatt hätten sie es natürlich schon ausprobiert, aber nun müsse unter Realbedingungen getestet werden, wie sich das Konstrukt verhalten würde. Die eine Stunde könnte ich doch entbehren, und Bartosz habe in Renia doch sowieso eine interessante Gesprächspartnerin, die beiden würden gar nicht merken, dass ich nicht da sei.
    Na wunderbar. Dann ist ja für alles gesorgt. Ich verkniff mir jeden Kommentar zu meinen Zweifeln an Rokas’Plan. Wie wollte er in einer einzigen Nacht zwei ganze Häuserreihen verspiegeln – noch dazu so, dass keiner etwas davon bemerkte? Albina und Rokas jedenfalls schienen sich ihrer Sache sicher zu sein. Beide standen vor einem der Giebelhäuser und reckten ihre Köpfe nach oben. Die Uhr am Rathausturm zeigte halb zwei an, eine Zeit, in der man entweder schlafen oder feiern sollte. Ich seufzte. Rokas machte sich an der Plane des Anhängers zu schaffen, drehte sich aber kurz um und fragte mich, ob ich irgendein Problem hätte, den ganzen Abend schon gehe ich umher als gräme mich etwas. Ich schüttelte den Kopf und sagte, ich sei einfach müde und außerdem keine Spezialistin für solche Aktivitäten.
    Albina, die zusammen mit Rokas auf den Anhänger geklettert war, reichte mir dennoch zwei Holzstreben heraus und sagte, ich solle bloß festhalten, das sei alles.

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