Ambra
schließlich herüberkamen, erinnerte sich Kröger, dass er sie schon einmal gesehen hatte: Es war Albina, Kingas Mitbewohnerin. Bartosz’ Eltern begrüßten sie und fragten, wie die Arbeit voranschreite. Müde winkte sie ab und sagte, jetzt sei erst einmal ein anderes Projekt wichtiger – sie drehte sich zu Kinga –, da müsse sie ihr gleich auch noch etwas erzählen, es sei ziemlich wichtig. Kinganickte und schrie ihr irgendetwas von wegen der Nachbarn ins Ohr. Als Albina zurückschrie, dass sie kurz zu Renia müsse, schüttelte Demoiselle Maya den Kopf und hielt sie am Ärmel fest: Besser nicht, wo sich doch Renia gerade so nett mit diesem jungen Mann unterhalte, soweit sie informiert sei, habe der dieses Fest mit ausgerichtet – sie schaute Kinga fragend an. Und das könne Renia doch endlich mal gebrauchen: einen netten, jungen Mann. Kinga erstarrte, als sie sah, dass Bartosz und Renia nebeneinander standen, die Köpfe eng zusammen, Renia lachte. Bartosz schielte auf seine Freunde, die die Szene mitverfolgten, und stellte sich mit dem Rücken gegen sie, damit sie Renia nicht angaffen konnten, jetzt, da er sie erfolgreich in ein Gespräch verwickelt hatte.
In ihrer Hand hielt sie eine leere Bierflasche, das musste die Erklärung sein, offenbar war sie benebelt, nahm gar nicht mehr wahr, mit wem sie da redete, wer ihr da den Hof machte – wie viele Biere hatte man ihr schon in die Hand gedrückt? Aber Kinga beherrschte sich, immerhin war Bartosz ihr Geschäftspartner und Renia nicht ihr Eigentum. Die Innenseite ihrer Wangen zerkaute sie dennoch. Demoiselle Maya bemerkte es und lächelte fein, Demoiselle Maya wusste über alles zwischen Himmel und Erde und darüber hinaus Bescheid.
Sie zog an ihrer Zigarettenspitze und fragte Kinga, was ihre persönlichen Pläne für die Zukunft wären, aber Kinga war in Gedanken ganz woanders, schmiedete Pläne, wie gegen Bartosz und seine Avancen vorgegangen werden könne, und vielleicht kam sie schon damals auf die Lösung: Bartosz musste verschwinden. Gerade legte Renia ihre Hand auf seinen Unterarm, wollte ihnzurückhalten, aber er machte sich los und kam herüber. Er lächelte selig. Wusstest du, dass manche Menschen in Trance einen Stoff ausspucken können, der beliebige Formen annehmen kann? Verrückt.
Schon setzte Demoiselle Maya an, das Ektoplasmaphänomen zu erläutern, als Kinga sie unterbrach, Bartosz die volle Flasche aus der Hand nahm und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Bartosz nickte und verschwand in den Hinterraum. Einen Schluck aus seiner Flasche nehmend, drängte sich Kinga hinüber zu Renia. Ungläubig schüttelte Demoiselle Maya ihren Kopf und wandte sich an Kröger.
Ich bin mir sicher, die Hälfte unserer Einnahmen im Varieté haben wir der Zerbrechlichkeit Fräulein Renias zu verdanken. Finden Sie das nicht auch – ein bisschen eigenartig?
Während des gesamten Abends wirkte Renia merkwürdig weggetreten. Nicht einmal mit Mario wechselte sie ein Wort, von Maya ganz zu schweigen. Etwas schien zwischen ihnen vor sich zu gehen, ohne dass ich zu diesem Zeitpunkt genau den Finger darauf hätte legen können. Es hatte mich überhaupt gewundert, dass alle gekommen waren, denn meine Kündigung war nicht besonders gut aufgenommen worden, vor allem nicht von Maya, und auch Mario schien, jedes Mal, wenn wir uns zufällig begegneten, verdrossen. Immerhin waren sie nicht davon abgewichen, uns die Räumlichkeiten für die Pfandleihe zu vermieten.
Einen Gesprächspartner hatte Renia schließlich doch gefunden: Bartosz. Verwunderte es mich am Anfang, sowar ich nach kurzer Zeit erleichtert. Hätte sie sich nicht so gut mit ihm unterhalten, wäre sie – trotz Albinas Anwesenheit – ein mittelschwerer Pflegefall auf der Einweihungsfeier gewesen, und ich hätte mich kaum noch um andere Gäste kümmern können. So nutzte ich nur eine kleine Pause, als Bartosz Bier holen ging, um mit ihr zu reden. Rokas hatte gerade aufgedreht, und wir genossen seine Musik. Er war ein talentierter Musiker und wechselte zwischen Klarinette und Akkordeon hin und her, unterbrochen nur von gelegentlichen Musikeinlagen anderer Gäste. Im Getümmel der Leute war er kaum zu erkennen, ich konnte nur vermuten, wo er ungefähr stehen musste. Renia hatte schon ziemlich viel getrunken und ließ die Soldaten, die noch immer auf der Fensterbank saßen, nicht aus den Augen.
Traurige Gestalten, sagte sie. Meinst du nicht?
Ich schüttelte den Kopf, und ohne Bartosz zu bemerken, der sich
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