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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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raschelte kurz, vielleicht überlegte er, ob er noch mal zutreten sollte, aber er ließ es, und so gingen wir zusammen los, und dieses Mal fühlte ich mich sogar noch sicherer als sonst, wenn ich alleine nach Hause ging. Ich schämte mich ein bisschen, weil Albina und ich so schlecht von ihm geredet hatten, als Kinga nach ihm fragte, und jetzt hatte er mir geholfen, ich nahm mir vor, dringend allen zu erzählen, was für ein netter Kerl Bartosz eigentlich war, Soldat hin oder her, man konnte ja auch für das Gute kämpfen, kämpfen war nicht immer gleich kämpfen, das leuchtete mir in dieser Nacht ein.
    So etwas in der Art wollte ich sagen, als wir schon beinahe an der Pforte vor unserem Haus angekommen waren, das, oder dass ich mich gerne bei ihm bedanken wollte und ihn demnächst einmal einladen würde, aber als ich anfing, fing auch er an, und er war aufgeregt, redete so schnell, als hätte er sich seine Sätze zurechtgelegt, vorher, sagte, wie sehr ihn meine Arbeit beeindrucke, sicher sei das anstrengend, und am Anfang habe er es wirklich für Schauspielerei gehalten, aber er sei nun schon öfter da gewesen und deshalb überzeugt, dass ich wirklich mit den Toten reden könne, und das sei etwas Unerhörtes, und er habe nun wirklich schon viel gesehen und viel erlebt – an der Stelle brach er ab. Ich hatte schon den Schlüssel in der Hand, traute mich aber nicht zu fragen, ob er noch mit hochkommen wolle, wie hätte das denn geklungen … Da sagte ich einfach
danke, noch mal, und gab ihm meine Hand, die er nahm und kurz anschaute, bevor er sie drückte.
     
    Ich ließ mir nichts anmerken und nahm einen Schluck Bier aus meiner Flasche. Rokas hatte gerade aufgehört zu spielen. Die Leute applaudierten und reckten die Hälse, um zu sehen, wer da so furios gespielt hatte, aber Rokas hatte sich schon in eine Ecke des Raumes zurückgezogen und die Klarinette aus der Hand gelegt. Für einen kurzen Moment sah ich sein Gesicht zwischen den Menschen aufblitzen, sah, wie müde er war und wie schlaff seine Schultern herabhingen. Er hatte seine Kondition überschätzt. Als jemand anderes zum Akkordeon griff und einen Schlager anstimmte, runzelte Renia die Stirn und sagte, dass sie ihm ein Bier bringen würde.
    Das trinkt der doch gar nicht. Weißt du, wo der Kwas hin ist? Hat den jemand weggetragen? Ausgetrunken?
    Bartosz hatte die Getränke eingekauft und ins Lokal geschafft, aber ihn konnte ich nicht fragen. Er stand noch immer bei seinen Kameraden und schien mich vorerst ignorieren zu wollen.
    Glaub ich nicht. Vorhin war die doch noch da in der Ecke – Renia zeigte nach hinten, dahin, wo Brunon und Bronka sich unterhielten, aber von einer Kiste keine Spur. Der Brottrunk blieb verschwunden. Einige Stunden zuvor waren Bartosz und ich extra noch losgefahren, um ein paar Flaschen von dem Zeug zu besorgen. Rokas hatte erklärt, dass er nichts anderes trank, und schon gar kein Bier, jedenfalls nicht, wenn er spielte. Renia drängelte sich zu ihm durch und setzte sich neben ihn. Sie rief mir etwas zu, zeigte auf die Tür zum Hinterzimmer. Ich nickte und zwängte mich an Mario und Bronka vorbei, die über vietnamesische Seide redeten.
    Der Kwas, sagte ich zu Bartosz. Ich kann ihn nicht finden. Weißt du, wo er hin ist?
    Sich bei seinen Kameraden entschuldigend, begleitete er mich zum Lagerraum, wo er das Getränk abgestellt hatte. Unter den Jacken kamen nur ein paar leere Aktenordner und Stapel blanken Papiers zum Vorschein. Bartosz kratzte sich am Hinterkopf.
    Jemand muss es weggeschafft haben. Ich bin mir absolut sicher, dass ich die Kiste mit dem Zeug genau hierhergestellt habe.
    Peinlich. Der Kwas war alles, was Rokas für seine Musikeinlage haben wollte.
    Ich bitte dich. Stellen wir ihm halt eine Kiste Cola hin. Oder holen ihm morgen eine neue Ladung. Einen Aufstand wird er deswegen doch nicht machen.
    Hast du eine Ahnung. Das mit der Cola sagst
du
ihm.
    Wir gingen wieder hinaus, Bartosz nahm sich eine Eineinhalbliterflasche und einen Plastikbecher vom Tisch und drängelte sich an ein paar Fremden vorbei in Richtung Rokas. Der saß in seiner Ecke und brütete über einem Notizbuch. Als Bartosz sich zu ihm setzte und ihm Cola in den Becher goss, sah er angewidert auf, schüttelte den Kopf und setzte Bartosz wahrscheinlich auseinander, was für ein furchtbares Zeug diese Coca-Cola sei. In Litauen würden sie höchstens Fleisch darin einlegen und sonst nichts, aber auf die Idee, es pur zu trinken, würde er nie und nimmer kommen

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