Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
Vom Netzwerk:
Jäckchen aus neongrünem Taft an, und Mario – dreimal so groß wie der Giftzwerg – kleidete sich in einen purpurfarbenen Kaftan, der entfernt an die bodenlangen arabischen Gewänder erinnerte und die Jungs vom Militär beunruhigte.
    Unter den Theaterleuten wurde mit reichen Gesten die Frage diskutiert, ob es ratsam sei, dass Mario Przemek auf den Arm nahm, denn mit dem Neuankömmling wurde der Platz noch knapper und die Lebensgefahr für Zwerge noch größer. Przemek wehrte sich nach Kräften, wurde aber trotzdem hochgehoben, von wo er Kinga, die weiter hinten stand, zuprostete. Aus dem allgemeinen Gelächter drang ein glockenhelles, perlendes Lachen, dem sich sofort ein paar Köpfe zuwandten. Da, neben Kinga und vor dem Plakat mit den Vorschriften, wie eine Pfandleihe zu funktionieren habe, stand Renia. Die Haarpracht nach oben geflochten, entblößte sie den schmalsten Nacken, den man je gesehen hatte.
    Kröger ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen, klemmte dabei den Schoß seines Samtjacketts ein und musste sich erst aus dem Kleidungsstück schälen, bevor er sich befreien und seinen Körper an den anderen Gästen vorbeischieben konnte, um Bartosz und Kinga sein Einstandsgeschenk zu überreichen: sechs antike Kleiderbügel, frei zum Verkauf nach eigenem Ermessen, gewissermaßen als erste Exponate für das Schaufenster. Kinga nahm sie dankend entgegen, legte sie dann aber achtlos auf den kleinen Tresen aus übereinandergestapelten Bierkisten. Dann prostete sie Bartosz’ Vater zu, der ein paar Schnapsgläschen randvoll mit Wodka gefüllt hatte. Als er Tilmann bemerkte, hielt Brunon Mysza inne und reichte ihm eines der Gläschen.
Nazdrowie
hieß es dann, und das Zeug brannte sich seinen Weg die Kehle hinab. Kinga und Brunon schienen schon zwei, drei von diesen Prozeduren hinter sich zu haben, so freundschaftlich, wie sie miteinander taten. Brunon schien selbst die Tatsache vergessen zu haben, dass Kinga es vorgezogen hatte, Heiligabend in der Wohngemeinschaft zu feiern und erst am nächsten Tag zu den Myszas herüberzukommen. Bronka war entsetzt gewesen und hatte sich nur schwer beruhigen lassen.
    Zwei Lautsprecher waren auf ein paar Kisten gestellt worden, dazwischen, an einem kleinen Pult, standen ein hagerer Mann und sein Laptop. Mitleidig blickte Kröger über seine Schulter auf das Gerät. Verwöhnt war er von den Vernissagen der Stadt, bei denen es selbstverständlich Livemusik gab, und was für ein Unterschied war das zu den Retortenklängen aus dem hässlichen, veralteten Computer des Soldatenjungen in seiner Ecke.
    Bevor Kröger sich zu Kinga beugen und fragen konnte, wer das sei, dem man da die Vollmacht über die Akustikverliehen hatte, ging die Tür zum Hinterzimmer auf, Bartosz erschien und sagte Kinga etwas ins Ohr. Rasiert hatte er sich und seine Wangen mit Aftershave benetzt; ohne die gebrochene Nase und das Schultermassiv, dem sein Nacken entsprang, hätte man ihn für einen Banker halten können. Ganz festlich sahen die beiden zusammen aus, in Grau und Schwarz gekleidet, und einmütig wirkten sie obendrein, wie sie geschäftig miteinander flüsterten und anscheinend wichtige Dinge besprachen. Es muss Kinga viel Selbstbeherrschung gekostet haben, zu ignorieren, was Bronka ihr von Bartosz und Renia erzählt hatte.
    Schau mal, wer sich da die Ehre gibt, sagte Bartosz, als er Kröger begrüßte und ihm die Hand schüttelte. Auf Kingas fragenden Blick fügte er hinzu: Ich hab ihn eingeladen, warum soll er denn nicht ein bisschen vom wahren Leben hier mitbekommen? Er ist Schriftsteller!
    Sicher, warum nicht, murmelte sie und mied Krögers Blick. Von hinten drängten noch mehr Leute in den Raum hinein und pressten die Gruppe aneinander.
    Die Show hat übrigens ganz schön was verloren, ohne dich. Trotz allem.
    Es ist ja erst einmal eine Trennung auf Zeit. Kinga überhörte geflissentlich die Anspielung. Aber die war fällig. In diesem Geschäft verliert man schnell das Gefühl für das, was noch normal ist. Und zumutbar.
    Kröger nickte, verdrängte die durchlittene Schmach, die Nächte voller Phantasien der Rache und Heimzahlung. Es war an der Zeit, sich versöhnlich zu geben. Hier lagen Geschichten verborgen – nach all den Jahren witterte er das –, die nur gehoben werden mussten. Und er, Kröger, hatte das alleinige Schürfrecht.
    Vielleicht gebe ich noch ein paar Gastauftritte. Nicht,dass die nicht ohne mich auskommen würden. Schau sie dir doch mal an. Kinga zeigte auf Mario, der

Weitere Kostenlose Bücher