Ameisenroman
beherbergte außerdem sämtliche charakteristischen Tierarten der Kiefersavanne, etwa die Virginiawachtel, der die Jäger mit Hunden und Gewehrenso gerne nachsetzten. Ihre Population nahm ab, aber ironischerweise nicht, weil sie so stark bejagt wurde, sondern weil immer mehr Kojoten und andere Raubtiere sie bedrohten, die im Umfeld menschlicher Siedlungen stark vermehrt auftreten. Auch Schaufelfußkröten, nachtaktive katzenäugige Jäger auf bodenbewohnende Insekten, standen auf der Liste der bedrohten Tierarten. Während einer kurzen Laichzeit versammelten sie sich in Regenpfützen und riefen einander mit stöhnenden Klagelauten, die wie ein Chor der Verdammten klangen. Georgia-Gopherschildkröten gruben lange Bauten, die für sich schon Miniatur-Ökosysteme darstellten und mit Vorliebe Indigonattern, Gopherfröschen und weiteren seltsamen Kreaturen als Behausung dienten, etwa einer Ameisenart, die sich von den Eiern von Glattbauchspinnen ernährte.
Unter den im Nokobee heimischen Arten waren einige selten oder sogar vom Aussterben bedroht. Am bekanntesten war der Kokardenspecht, der in Höhlen weit oben in Sumpfkiefern nistete. Abgesehen von einem Bären, der gelegentlich auftauchte, war das in Größe und Aussehen beeindruckendste Tier die äußerst muskulöse, schwarzblau schimmernde Indigonatter, die über zwei Meter lang werden konnte. Sie schnellte aus den Schildkrötenbauten und verschlang die unterschiedlichsten Beutetiere, darunter durchaus kleinere Vertreter ihrer eigenen Art genossen. Am anderen Ende der Skala rangierte unter den Reptilien der Maulwurfskink, eine unterirdisch lebende Eidechse mit verkümmerten Beinen, die höchstens fünfzehn Zentimeter groß wird und aussieht wie ein gepanzerter Regenwurm. Diese Art war so scheu, dass sie nur die erfahrensten Naturforscher zu Gesicht bekamen.
Zu diesem charakteristischen Teil der Fauna der Kiefersavanne gehören außerdem noch drei Sorten von Ameisen: die Spinneneierfresser aus den Schildkrötenbauten; eine weitere Art, die in Kieferstämmen und -kronen lebte und dem Kokardenspecht als Hauptnahrungsquelle diente; und schließlich die hügelbauenden Ameisen, deren Völker an den Ufern des Lake Nokobee lebten.
Die ausnehmend schöne und biologisch so reiche Kiefernebene am Lake Nokobee war nur ein winziger Überrest dessen, was einst den Habitat der Küstenregion am Golf von Mexiko bildete. Über Jahrtausende hinweg umfasste sie sechzig Prozent der Ebenen zwischen Nord- und Süd-Carolina und Texas. Ihre leicht wellige Weite wurde nur von einzelnen Laubwaldinseln unterbrochen, die sich insbesondere an Bachmündungen, an Steepheads, von hervorbrechendem Grundwasser tief in den Sand gegrabenen blinden Tälern, und an den von Zypressen dominierten Auwäldern der bedeutendsten Wasserläufe fanden. Dazu kamen noch die zahllosen Dome in und um feuchte Mulden, die sich im Winter mit Regenwasser füllten und erst im späten Frühjahr austrockneten. Stumpflöcher, die Überreste umgestürzter Sumpfkiefern, dienten einer ganz eigenen kleinen Fauna als Lebensraum.
Für die Indianerstämme war die Sumpfkiefersavanne ein Quell des Lebens gewesen. Sie konnten dort Büffel und Weißwedelhirsche jagen, von denen es nur so wimmelte. Den ersten spanischen Entdeckern diente sie als Highway durch den Südwesten Floridas, den entlang sie sich mit Pferd und Waffen den Weg in die unbekannten Gebiete im Norden und Westen bahnten. Im achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert gab diebewaldete Ebene einen beträchtlichen Teil ihrer Fläche an die frühen englischen und amerikanischen Farmer ab. Nach dem Bürgerkrieg dann wurde ein halbes Jahrhundert lang der herrliche Baumbestand, der ihr Kernstück bildete und von dem ihre Intaktheit abhing, fast vollständig abgeholzt. Die Sumpfkiefer ist zu ihrem Unglück einerseits leicht zu ernten und gehört andererseits gemeinsam mit Redwood, Zypresse und Weymouth-Kiefer zu den begehrtesten Bauhölzern Nordamerikas. Grund- und Sägewerksbesitzer erwirtschafteten mit ihrer Zerstörung ein Vermögen. Die Holzbarone machten Investoren nicht nur im Süden, sondern auch im Norden reich. Sie bauten Villen im Plantagenstil und trugen dazu bei, den Süden aus seiner bitteren Armut zu befreien. Als sie fertig waren, hinterließen sie freilich ein Brachland von Baumstümpfen mit verkrauteten Beständen von Elliotkiefern und Weihrauchkiefern, zwischen denen ein zumeist undurchdringliches Laubholzgestrüpp hochwuchs. In dieser Gestalt
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