Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes
Amelia? Was sollen wir jetzt tun?«
»Natürlich müssen wir darüber sprechen, aber erst am Morgen. Da ist es noch früh genug für meine Demütigung.«
Aber der Morgen brachte schon wieder eine neue Sensation.
Ich stand früh auf, und Emerson, ebenfalls ein Frühaufsteher, lief schon ungeduldig neben dem Kochzelt auf und ab. Ich versagte mir jeden Kommentar zu seiner offensichtlichen Entschlossenheit, die Arbeit wiederaufzunehmen, und wenig später saßen wir beim Frühstück. Da explodierte Emerson.
»Wo sind denn die Männer? Seit einer Stunde sollten sie dasein!«
Walter sah auf seine Uhr. »Seit einer halben. Sie scheinen sich verspätet zu haben.«
»Siehst du etwas in Richtung Dorf?« knurrte Emerson. »Walter, da stimmt was nicht. Hol mir mal Abdullah her.«
In seinem Zelt war er nicht, doch wenig später kam er durch den Sand herangestapft, nachdem er offensichtlich vergebens seinen Trupp im Dorf gesucht hatte. Er breitete seine Hände aus und sagte: »Sie wollen nicht kommen.«
»Ist denn heute ein Feiertag der Mohammedaner?« fragte Evelyn.
»Nein, nein, so etwas würde Abdullah nicht übersehen«, antwortete Emerson. »Ich dachte eher, sie wollten mehr Geld. Setz dich, Abdullah, und erzähl mir, was du weißt.«
Abdullah hockte sich auf den Boden und berichtete. Als er ins Dorf gekommen sei, habe er alle Hütten verlassen vorgefunden. Er sei zum Bürgermeister, dem Vater von Mohammed, gegangen, und der habe ihm erklärt, die Männer würden nicht kommen, überhaupt nicht mehr. Von Mohammed, der später dazukam, erfuhr er dann, der Grund dafür sei die Mumie, die früher ein prinzlicher PriesterZauberer gewesen sei, ein Diener des großen Gottes Anion, den Pharao Khuenaten von seinem geistigen Thron gestürzt hatte. Amon habe die häretische Stadt verflucht. Da die Mumie ans Tageslicht gebracht worden sei, habe sie in ihrem Zorn das Dorf besucht, alle Schläfer durch ihr Seufzen aufgeweckt und verängstigt. Die Dorfbewohner hätten die Warnung angenommen und seien gegangen, um die unheilige Stätte dem trostlosen Sand zu überlassen, denn jeder, der noch in der verfluchten Stadt arbeite, werde von Amons Zorn geschlagen.
Emerson hatte aufmerksam zugehört. Als Abdullah geendet hatte, fragte er: »Glaubst du selbst daran, Abdullah?«
»Nein.« Es klang nicht sehr überzeugend.
»Ich auch nicht. AmonRa ist ein toter Gott und hat seine Macht vor vielen hundert Jahren verloren. Die Moscheen deines Gottes stehen zwischen den Tempeln und rufen die Gläubigen zum Gebet. Ich nehme an, du glaubst an deinen Gott und daran, daß er dich vor bösen Geistern und Dämonen beschützt.«
Ich mußte Emerson sehr bewundern, denn er hatte den richtigen Ton getroffen. Abdullah sah ihn respektvoll an. »Aber der Herr sagt nicht, was aus der Mumie wurde?« fragte er vorsichtig.
»Die wurde gestohlen von einem, der hier Unruhe stiften will. Seinen Namen will ich nicht nennen, aber du weißt doch selbst, daß Mohammed ärgerlich war, weil ich dich zum Vormann machte und nicht ihn. Sein Vater hat ihn schlecht erzogen, und die Männer des Dorfes verachten ihn.«
»Aber sie fürchten ihn auch«, bemerkte Abdullah und stand auf. »Wir sind einer Meinung, Herr. Aber was sollen wir tun?«
»Ich werde mit dem Bürgermeister sprechen. Abdullah, geh und iß. Du hast deine Sache gut gemacht. Ich bin zufrieden und dankbar.«
Sehr behaglich fühlte sich der Vormann nicht. Evelyn schaute mich an, und ich nickte. Jetzt mußte ich meine Geschichte erzählen, und ich räusperte mich ausführlich.
»Er hat sich das nicht eingebildet, und die Dorfbewohner haben die Mumie ganz sicher gesehen. Evelyn und ich sahen solch eine Gestalt hier im Lager.«
»Ich dachte mir doch, daß Sie was verschweigen. Na, gut, Peabody, packen Sie aus. Wir hören.«
Ich erzählte also. Zu meinem Staunen kam mir ausgerechnet von Emerson Hilfe. Walter war sprachlos.
»Das beweist doch nur, daß unser Schurke, den wir ja zu kennen glauben, sich die Mühe machte, in einem
Lumpengewand herumzugehen und die Leute zu erschrecken. Überrascht bin ich nicht, wenn ich auch nicht geglaubt hätte, daß Mohammed so viel Fantasie und Energie aufbrächte.«
Zusammen mit Walter machte er sich dann auf den Weg ins Dorf. Natürlich kam ich – unaufgefordert – mit, und Evelyn blieb zurück unter Michaels und Abdullahs Schutz.
Im Dorf herrschten eine brütende Hitze und ein unheilvolles Schweigen. Emerson mußte eine ganze Weile kräftig an die Tür der Hütte
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