Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes
des Bürgermeisters trommeln, ehe durch einen schmälen Spalt eine lange, gebogene Nase geschoben wurde. Emerson drückte so gegen die Tür, daß der alte Mann ein wenig zurücktaumelte; er fing ihn auf und setzte ihn behutsam auf den Boden.
Es stank fürchterlich in der Hütte, denn Hühner, Ziegen und Menschen drängten sich in einem kleinen, halbdunklen Raum zusammen. Wir wurden nicht zum Sitzen eingeladen, hätten auch keinen Platz gehabt, denn die Hühner belegten einen langen, verdächtig aussehenden Diwan mit Beschlag.
Emerson unterhielt sich arabisch mit den Leuten; verstehen konnte ich kaum etwas, doch aus den Mienen und Gesten ließ sich einiges entnehmen. Der Bürgermeister, ein verhutzelter, knochiger Bursche, benahm sich nicht frech, eher verängstigt.
Allmählich verzogen sich die Menschen, während die Hühner und Ziegen blieben. Nach einer Weile schlüpfte jemand durch einen Hintereingang herein, und ich erkannte Mohammed, der sofort das freundlich geführte Gespräch übernahm und frech wurde. Schließlich schaute er mich an und sagte in englischer Sprache: »Mumie mag nicht Fremde, sollen gehen. Aber nicht Frauen gehen. Mumie mag englische Frauen.«
Der arme alte Vater kreischte verängstigt, als Emerson seinem unverschämten Sohn an die Kehle ging. Walter beruhigte ihn dann wieder. »Komm, komm«, redete er seinem Bruder zu. »Hier können wir doch nichts tun.«
Wir verließen schnellstens die Hütte und waren froh, als wir die zwar heiße, aber immerhin saubere Wüstenluft atmen konnten. Trotz des Mißerfolges richtete Emerson aber sofort seine Schritte in das nächste Dorf. »Wenn die Männer von Haggi Qandil nicht arbeiten wollen, so tun es sicher die von el Till und al Amarnah«, meinte er entschlossen.
Walter versuchte ihm das auszureden. »Radcliffe, du kannst nicht heute den ganzen Tag durch die Wüste laufen. Außerdem hat Mohammed garantiert seine Geschichte schon in den Nachbardörfern verbreiten lassen. Du wirst dort ebensowenig Erfolg haben wie in Haggi Qandil.«
Emerson ging schon sehr langsam, aber das Kinn hatte er aggressiv vorgestreckt. Ich beschloß also, der Sache ein Ende zu machen, ehe es ihn in den Sand streckte.
»Walter, lassen Sie ihn«, sagte ich. »Er ist zu stur, als daß er auf vernünftige Argumente hören würde. Wir müssen mit Abdullah und Michael Kriegsrat halten und haben auch sonst noch einiges zu tun. Eigentlich könnten wir damit ja warten, bis Ihr Bruder vor Schwäche ohnmächtig wird, denn dann kann er uns nicht im Weg stehen. Es ist einfacher, ihn zum Lager zu schleppen, als mit ihm zu streiten.«
Emerson hielt sich aber noch immer auf den Beinen, als wir ins Lager kamen, doch Walter zog sich mit ihm sofort zu einer restaurativen Behandlung in die Grabkammer zurück. Danach versammelten wir uns zum Kriegsrat.
Michael, der Christ und Fremde, war im Dorf nicht
willkommen und verbrachte daher die Nächte auf dem Boot. Nun hörte er zum erstenmal von den Vorgängen hier und lauschte aufmerksam unseren Erzählungen. Danach fragte ich ihn, welche Vorschläge er dazu habe.
»Verlassen Sie diesen Ort sofort«, riet er uns. »Ich bin vor Dämonen geschützt.« Er berührte dazu sein Kreuz, das er um den Hals trug. »Hier gibt es viele schlechte Menschen. Das Boot wartet. Wir gehen alle, auch die Gentlemen. Das hier ist kein guter Ort.«
Abdullah nickte nachdrücklich. Er war zwar islamischen Glaubens, aber die Mohammedaner sind ebenso abergläubisch wie die Christen.
»Diesen Vorschlag wollte ich auch machen«, sagte ich, und Michael war auf meine Zustimmung sehr stolz. »Gentlemen, Sie müssen einsehen, daß Sie hier jetzt nichts mehr tun können. Ich hielte es für besser, wenn wir uns Arbeiter aus anderen Landesteilen besorgten, die nicht Mohammeds Einfluß unterliegen, und wenn die Dorfbewohner feststellen, daß die Arbeit ohne Zwischenfall weitergeht, dann werden sie selbst einsehen, daß ihre Fluchlegenden reiner Unsinn sind.«
Walter schien sehr beeindruckt zu sein und schaute seinen Bruder an. Ich tat es auch, aber er hatte sein Kinn wieder so angriffslustig vorgeschoben, daß ich ihm am liebsten meine Faust daraufgesetzt hätte.
»Wir könnten doch auch an einer anderen Stelle arbeiten«, schlug Evelyn vor. »Es gibt genug Grabungsmöglichkeiten. Warum warten wir nicht, bis sich hier die Aufsässigkeit gelegt hat?«
»Oh, das ist sehr gut, sehr gut. Wir gehen. Arbeiten in Sackarah, Luxor. Ich kenne Gräber im Tal der Könige«, antwortete
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