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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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eine kahle Steinwüste; hinter uns breitete sich in der Tiefe das ungeheure Niltal aus wie ein Gemälde von Meisterhand. Der Tempel der Königin Hatasu, den Maspero entdeckt hatte, sah aus wie ein Kinderspielzeug. Jenseits der Wüste zogen sich die Felder wie ein smaragdgrünes Band am Flußufer entlang. Die Sicht war so klar, daß wir die winzigen Konturen der Pfeiler und Säulen der östlichen Tempel erkennen konnten. Im Süden erhob sich der pyramidenförmige Gipfel, den man als Göttin des Westens bezeichnet und der über die antiken Grabstätten wacht.
    Emerson begann zu summen. Er hat eine ganz entsetzliche Singstimme und trifft keinen Ton richtig, aber ich erhob keinen Einwand, selbst dann nicht, als in seinem Gebrummel allmählich Wörter auszumachen waren.
    … bekannt bin ich wie ’n bunter Hund in jedem Kaffeehaus.
    Die Mädel schrei ’n aus einem Mund, »Charlie, gib einen aus!«
    Ich stimmte mit ein:
    Champagner Charlie nennt man mich.
    Kein Kind von Traurigkeit.
    Drum Freund, prost, die Gläser hoch!
    Auf eine schöne Zeit.
    Emerson nahm mich bei der Hand. In perfekter Harmonie der Seelen (wenn auch nicht der Stimmen) gingen wir weiter; und ich hatte nicht das Gefühl, daß wir mit unserem Lied diesen heiligen Ort entweihten.
    Schließlich endete unser Spaziergang an einer Felsenkante, von wo aus wir in ein Tal hinabsehen konnten. Die Felswände und der kahle Boden waren vom selben eintönigen Graubraun, das im gleißenden Sonnenlicht die Farbe eines blassen, ungenießbaren Puddings annahm. Nur ein paar kleine Schattenflecken, die in der höherwandernden Sonne immer mehr zusammenschrumpften, unterbrachen diese Monotonie – abgesehen von den rechteckigen schwarzen Öffnungen, die dem Tal der Könige seinen Namen gegeben haben.
    Befriedigt stellte ich fest, daß sich meine Hoffnung auf relative Ungestörtheit erfüllt hatte. Die Touristen waren in ihre Hotels zurückgekehrt, und das einzige, was sich bewegte, waren formlose Bündel von Lumpen, unter denen die ägyptischen Führer und Wächter schliefen, die im Tal arbeiteten. Doch nein! Mit Bedauern revidierte ich meinen ersten Eindruck, als ich einer Gestalt gewahr wurde. Wegen der großen Entfernung konnte ich nur undeutliche Umrisse erkennen, und zwar die einer großen männlichen Person in europäischer Kleidung. Der Mann schien in die Betrachtung der umliegenden Felsen versunken zu sein.
    Wir hatten zwar noch nie zuvor das Grab besucht, doch ich zweifelte nicht, daß Emerson einen präzisen Lageplan davon hätte zeichnen können. Auch mir wäre das gelungen. Wie hypnotisiert wandten sich unsere Blicke in die richtige Richtung.
    Es lag unter uns auf der gegenüberliegenden Seite des Tals. Die steilen, fast senkrecht abfallenden Felswände rahmten es wie eine Theaterkulisse ein. Am Fuß der Felsen zog sich ein langgestreckter Hügel aus Steinen und Geröll hin, auf dem sich die Schutthaufen früherer Ausgrabungen türmten und einige neuere Hütten und Lagergebäude standen. Ein dreieckiger Einschnitt im Geröll bildete den Zugang zum Grab von Ramses VI. Unter diesem und links davon sah ich das schwere Eisentor, von dem Karl gesprochen hatte. Zwei staubige Bündel – die wachsamen Aufpasser, die Grebaut zu Grabwächtern ernannt hatte – lagen neben dem Tor.
    Emerson drückte meine Hand fester. »Denk’ bloß daran«, sagte er sanft, »welche Wunder unter diesen nackten Felsen noch versteckt liegen! Die Gräber von Thutmosis dem Großen, von Amenhotep dem Zweiten und von Königin Hatasu … Vielleicht auch noch ein ähnliches Versteck von Königsmumien wie das, das 1881 entdeckt wurde. Welcher von ihnen wartet wohl darauf, von uns ausgegraben zu werden?«
    Ich teilte zwar seine Empfindungen, aber er zerquetschte mir fast die Hand. Ich wies ihn darauf hin. Mit einem tiefen Seufzer fand Emerson wieder in die Wirklichkeit zurück. Gemeinsam kletterten wir den Pfad hinunter, der zum Grund des Tals führt.
    Die schlafenden Wächter rührten sich nicht einmal, als wir vor ihnen standen. Emerson stupste eines der Bündel mit den Zehenspitzen an. Es erzitterte; dann konnte man inmitten der Lumpen ein feindselig blickendes schwarzes Auge erkennen, und schließlich ergoß sich aus einem nicht sichtbaren Mund ein Schwall von ordinären arabischen Flüchen über uns. Emerson erwiderte etwas im gleichen Ton. Das Bündel sprang auf die Füße, so daß sich die Lumpen teilten, und eines der bösartigsten Gesichter erschien, ein Gesicht durchfurcht von Schrammen

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