Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
worden; seine Brust und die Schultern waren so breit wie die eines jungen Athleten.
»Sie sind überaus freundlich, Mrs. Emerson«, sagte er. »Ich versichere Ihnen, ich bin schon wieder auf dem Damm, und ich habe mich schon darauf gefreut, Sie und Ihren berühmten Gatten kennenzulernen.«
»Hmmm«, meinte Emerson in einem etwas freundlicheren Ton. »Sehr gut. Morgen früh fangen wir an …«
»Mr. Milverton sollte sich die nächsten Tage nicht der Mittagssonne aussetzen«, sagte ich.
»Ich möchte dich nochmals daran erinnern«, erwiderte Emerson, »daß du keine Ärztin bist.«
»Und ich möchte dich daran erinnern, wie es dir damals ergangen ist, als du meinen medizinischen Rat in den Wind geschlagen hast.«
Ein außergewöhnlich finsterer Ausdruck erschien auf Emersons Gesicht. Er drehte mir kurzerhand den Rücken zu. »Und wo ist Lady Baskerville?« fragte er Karl. »Eine fabelhafte Frau!«
»Das ist sie wirklich«, antwortete Karl. »Und ich habe für Sie, Herr Professor, eine wichtige Nachricht von dieser äußerst bemerkenswerten Dame. Sie hält sich im Hotel Luxor auf. Es wäre, wie Sie verstehen werden, für sie nicht schicklich, ohne Begleitung einer anderen Dame mit Ihnen unter einem Dach zu wohnen, jetzt, da ihr verehrter Gemahl … «
»Ja, ja«, meinte Emerson ungeduldig. »Wie lautet die Nachricht?«
»Sie möchte, daß Sie – und natürlich auch Mrs. Emerson – heute im Hotel mit ihr zu Abend speisen.«
»Vorzüglich, vorzüglich«, rief Emerson begeistert. »Wie ich mich auf dieses Treffen freue!«
Unnötig zu sagen, daß mich Emersons durchsichtiger Versuch, mich dadurch zu ärgern, daß er mir Bewunderung für Lady Baskerville vorspielte, sehr amüsierte. Ruhig bemerkte ich: »Wenn wir heute im Hotel speisen, solltest du lieber deine Sachen auspacken, Emerson. Deine Abendgarderobe wird ziemlich zerknittert sein. Sie, Mr. Milverton, müssen schleunigst zurück ins Bett. Ich werde gleich nach Ihnen sehen und dafür sorgen, daß Sie alles haben, was Sie brauchen. Als erstes werde ich die Küche inspizieren und mit dem Koch sprechen. Karl, Sie sollten mich mit der Dienerschaft bekanntmachen. Hatten Sie Schwierigkeiten, geeignete Leute zu finden?«
Ich nahm Karl mit festem Griff beim Arm und verließ mit ihm den Raum, bevor Emerson Gelegenheit zu einer Antwort hatte.
Die Küche befand sich in einem eigenen Gebäude hinter dem Haupthaus; in einem heißen Klima eine sehr sinnvolle Einrichtung. Als wir näherkamen, verrieten mir verschiedene köstliche Gerüche, daß gerade das Mittagessen zubereitet wurde. Karl erzählte mir, die meisten Bediensteten seien geblieben. Offenbar sahen sie keine Gefahr darin, für Ausländer zu arbeiten, solange sie sich nicht selbst aktiv an der Entweihung des Grabes beteiligten.
Ich freute mich, in Ahmed, dem Küchenchef, der früher im Shepheard’s gearbeitet hatte, einen alten Bekannten zu treffen. Er schien sich genauso zu freuen, mich wiederzusehen. Nachdem wir Höflichkeiten ausgetauscht und uns gegenseitig nach dem Gesundheitszustand unserer Familien erkundigt hatten, verabschiedete ich mich, froh darüber, daß ich wenigstens in diesem Bereich nicht ständig ein Auge auf alles haben mußte.
In unserem Zimmer war Emerson damit beschäftigt, seine Bücher und Aufzeichnungen durchzusehen. Die Koffer mit den Kleidern standen noch ungeöffnet herum. Der junge Diener, dessen Aufgabe es gewesen wäre, die Sachen auszupacken, hockte auf dem Boden und unterhielt sich angeregt mit Emerson.
»Mohammed hat mir die wichtigsten Neuigkeiten erzählt«, sagte Emerson fröhlich. »Er ist der Sohn von Ahmed, dem Küchenchef- du erinnerst dich …«
»Ja, ich habe eben mit Ahmed gesprochen. Das Essen wird in Kürze serviert.« Während ich das sagte, zog ich aus Emersons Tasche die Schlüssel; er sortierte weiterhin seine Papiere. Ich reichte Mohammed die Schlüssel; er war ein schlankes Bürschchen mit leuchtenden Augen und von der grazilen Schönheit, die diese jungen Kerle oft haben. Mit meiner Hilfe erfüllte er seine Aufgabe und zog sich danach zurück. Erfreut stellte ich fest, daß er den Wasserkrug gefüllt und Handtücher bereitgelegt hatte.
»Endlich allein«, meinte ich spaßhaft und begann, mein Kleid aufzuknöpfen. »Wie erfrischend das Wasser aussieht! Nach der letzten Nacht muß ich mich dringend waschen und umziehen.«
Ich hängte mein Kleid in den Schrank und wollte mich gerade umdrehen, als Emerson plötzlich von hinten die Arme um mich legte
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