Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein
Rand des Sarkophages und verschnauften. »Hast du die Streichhölzer noch, Emerson?«
»Aber sicher. Die kleine Schachtel ist augenblicklich mehr wert als Gold.«
»Dann gib sie mir bitte, ich möchte sie in meine zuknöpfbare Tasche an der Bluse stecken. Wenn du einverstanden bist, lösche ich danach die Kerze, denn ich habe nur die eine.«
Er nickte mit ernstem Gesicht. Dann saßen wir einige Zeit stumm im Dunklen und hielten uns in den Armen.
»So werden wir sterben, Peabody.«
»Unsinn, mein lieber Emerson«, sagte ich energisch. »Du darfst die Hoffnung nicht so schnell aufgeben, denn wir haben ja noch nicht einmal angefangen zu kämpfen!«
»Aber falls es so kommt, möchte ich so hier sitzen.«
»Ich auch, mein liebster Emerson, aber ich will noch lange nicht sterben! Laß uns unser Gehirn anstrengen und nach Lösungen suchen!«
»Es gibt immer eine Möglichkeit«, sagte Emerson.
»Du mußt mir keine falschen Hoffnungen machen, Emerson. Ich habe mich gefragt, warum unsere Entführer uns nicht sofort umgebracht haben, aber sie wußten, daß wir von hier nicht mehr entkommen würden. Sie werden nicht wiederkommen, und jemand anderer kann uns nicht zu Hilfe kommen, weil niemand den Eingang kennt. Meinst du, de Morgan wird ihn finden? Niemand wird uns hier drin vermuten.«
»De Morgan wird den Eingang niemals finden«, sagte Emerson bissig. »Wir sollten uns lieber nicht auf Hilfe von draußen verlassen.«
Ich drückte seine Hand. »Wir müssen versuchen, etwas zu finden, auf dem wir stehen können. Wir lassen uns doch von diesen paar Zentimetern nicht besiegen!«
»Der Sarkophag wiegt wahrscheinlich eine halbe Tonne«, meinte Emerson.
»Wahrscheinlich mehr«, sagte ich. »Auch der Deckel ist zu schwer, aber vielleicht liegt irgend etwas unter der Schlammschicht, das wir gebrauchen können.«
»Wir wollen nachsehen«, stimmte Emerson zu, »aber zuerst sollten wir überlegen, ob es noch einen anderen Ausweg geben kann.«
»Einen anderen Eingang? Vielleicht, aber die Decke ist so hoch.«
»Jedenfalls kann es keinen in Höhe des Fußbodens geben, denn sonst wäre das Wasser abgelaufen. Vielleicht finden wir ja etwas Interessantes, auf dem man auch noch stehen kann!«
»Vielleicht einen kleinen Schrein aus Alabaster?«
»Das Fieber hat dich wieder gepackt, Peabody, nicht wahr?« fragte Emerson. »Trotzdem hätten wir keinerlei Recht, hier zu graben, denn dieser Platz gehört de Morgan.«
»Er kann doch schlecht protestieren, solange wir nur unser Leben retten wollen, und das wollen wir doch, oder?«
»Aber selbstverständlich«, sagte Emerson.
»Ich fürchte, daß mein Schreibwerkzeug etwas unter der Feuchtigkeit gelitten hat, so daß ich keine genauen Aufzeichnungen machen kann. Wir müssen uns alles gut einprägen.«
»Du bist wirklich eine außergewöhnliche Frau, Peabody. Welche andere würde in einer solchen Situation noch an die Wissenschaft denken!«
»Deine Anerkennung freut mich mehr als alles andere, Emerson. Darf ich dir das Kompliment zurückgeben?«
»Ich danke dir. Aber bevor wir jetzt die Kerze anzünden, wollen wir alles noch einmal gründlich durchsprechen.«
Ich dachte, mein Gehirn würde mir einen Streich spielen, aber in dieser finstersten Finsternis, die so undurchdringlich war, daß sie auf die Augäpfel zu drücken schien, sah ich plötzlich einen helleren Schimmer. Er kam aus der Öffnung oben an der Wand. Ich stupste Emerson.
»Schau!« flüsterte ich.
»Ich sehe es«, antwortete er leise. »Los, Peabody, runter ins Wasser!«
Er rutschte hinunter, und ich folgte mit seiner Hilfe. »Glaubst du, daß diese Verbrecher zurückkommen?« fragte ich.
»Es kann doch niemand sonst sein«, erwiderte er. »Verstecke dich hinter dem Sarkophag und gib keinen Mucks von dir!«
Ich hörte, wie er zur Wand hinüberwatete. Er mußte mir nichts erklären, denn wir verstanden uns ohne Worte. Die Männer waren zurückgekommen, um sich von unserem Tod zu überzeugen. Wenn sie keine Spur von uns entdeckten, würden sie vielleicht ein Seil oder eine Leiter herunterlassen, die Emerson möglicherweise ergreifen konnte. Darin bestand im Augenblick unsere einzige Chance. Ich versteckte mich hinter dem Steigsarg und wartete.
Die Öffnung war jetzt ganz hell, und irgend etwas zeichnete sich als Umriß ab. Ich konnte Emerson nicht sehen, aber ich wußte, daß er sich dicht an die Wand preßte. Meine Finger schlossen sich um den Griff meines Messers.
Und dann geschah das Überraschendste dieses
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