Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein
beschütze. Denkt gut über alles nach, was ich gesagt habe!«
»Was hast du gesagt?« fragte ich, während wir davongingen und uns die Segenswünsche der Leute begleiteten.
»Das übliche, Peabody. Ich glaube nicht, daß einer der Männer direkt beteiligt war, aber sie müssen eigentlich etwas gesehen oder gehört haben. Ein Ding von den Ausmaßen eines Sarges verschwindet nicht, ohne daß irgend jemand aufmerksam wird.«
»Vielleicht wurden sie bestochen. Ich denke wieder an den großen Unbekannten, Emerson. Vielleicht erstreckt sich sein Netz ja soweit!«
»Peabody, ich warne dich! Dies ist ein ganz gewöhnlicher Diebstahl, der ganz bestimmt mit keinem anderen Verbrechen in Zusammenhang steht.«
»Wir werden ja sehen …«, sagte ich, doch er saß bereits auf seinem Esel und hatte meine letzte Bemerkung nicht mehr gehört.
Wir waren bereits weit draußen in der Wüste, als sich seine Miene wieder ein bißchen aufhellte, doch ich vermied eine erneute Diskussion, weil ich mir ziemlich sicher war, daß er früher oder später die Stichhaltigkeit meiner Überlegung erkennen würde. »Der Fall hat allerdings seine Merkwürdigkeiten«, überlegte Emerson nach einiger Zeit laut vor sich hin. »Ich verstehe nicht, weshalb sich Diebe mit einem so riesigen, aber doch so wertlosen Sarg abplagen. Die Leiche war ein einfacher Mann, so daß sie keinerlei Schmuck unter den Binden erwarten können.«
»Aber die beiden anderen Gegenstände?«
»Die machen alles nur noch komplizierter, Peabody! Die Statuette ist eine wunderbare Arbeit der späten achtzehnten Dynastie, wenn ich mich nicht sehr täusche. Sie und der Skarabäus waren mit Abstand die feinsten Stücke, so daß man schließen kann, daß die Diebe Gutes von Durchschnittlichem unterscheiden konnten. Aber alle anderen kleinen Gegenstände wären ebenfalls verkäuflich gewesen, doch statt dessen schleppen sie sich mit dem Sarg ab!«
»Du hast einen Gegenstand vergessen, der ebenfalls fehlt«, sagte ich. »Vielleicht ist es dir ja nicht aufgefallen …«
»Wovon sprichst du, Peabody? Ich habe sonst nichts vermißt.«
»Doch, Emerson.«
»Nein, Peabody, bestimmt nicht.«
»Der kleine Löwe fehlt. Der Käfig war leer.«
Emerson ließ die Zügel los, worauf sein Esel stehenblieb. »Leer«, wiederholte er verständnislos.
»Die Tür war geschlossen und der Käfig beiseite geschoben. Ich habe es mir genau angesehen …«
»O guter Gott!« Emerson sah mich an. »Peabody! Unser eigenes, unschuldiges Kind … Du verdächtigst ihn doch nicht … Ramses konnte den schweren Sarg mit Sicherheit nicht tragen! Außerdem hat er einen viel zu sicheren Geschmack! So ein Ding würde er nicht stehlen!«
»Ich habe vor langer Zeit aufgegeben, mir vorzustellen, was Ramses kann und was er nicht kann«, antwortete ich. »Dein zweites Argument halte ich für stichhaltig, aber die Absichten unseres Sohnes sind unklar und seine Fähigkeiten gelegentlich gigantisch. Weiß der Teufel, was das Kind im Schilde führt!«
»Deine Ausdrucksweise, Peabody!«
Ich nahm mich zusammen. »Danke, Emerson, daß du mich darauf aufmerksam gemacht hast.«
»Gern geschehen, meine liebe Peabody!« Er nahm die Zügel wieder in die Hand, und wir ritten weiter. Nach einer Weile fragte Emerson unsicher: »Kannst du dir denken, wo er ihn versteckt hat?«
»Wen? Den Sarg?«
»Nein, verflucht! Den kleinen Löwen.«
»Das werden wir bald wissen.«
»Aber du glaubst doch nicht, daß er in den anderen Diebstahl verwickelt ist, oder? Amelia?« Seine Stimme klang kläglich.
»Nein, natürlich nicht. Ich kenne den Dieb. Sobald ich mein Hühnchen mit Ramses gerupft habe, werde ich ihn in Gewahrsam bringen.«
7. Kapitel
Als wir in das Zimmer unseres Sohnes stürzten, saß er gerade auf dem Boden und neckte den kleinen Löwen mit einem kleinen Stück Fleisch, das nicht sehr vertrauenswürdig aussah. Er blickte uns vorwurfsvoll an und sagte: »Ihr habt nicht angeklopft, Mama und Papa! Dabei wift ihr, daf mir meine Privatfphäre fehr viel bedeutet!«
»Was hättest du denn gemacht, wenn wir angeklopft hätten?« wollte Emerson wissen.
»Ich hätte den Löwen unter dem Bett verfteckt.«
»Ich habe dir doch verboten …«, begann ich, doch dann schwieg ich, denn ich dachte daran, daß ich ihm keineswegs verboten hatte, den kleinen Löwen der Baronin zu stehlen. »Ich habe dir doch verboten, allein draußen herumzulaufen«, schloß ich.
»Aber ich bin doch gar nicht allein draufen gewefen. Felim ift
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