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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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ich befürchtete, daß kaum eine Chance bestand, die fliehenden Führer – wenn sie es denn waren – einzuholen. Und es war auch nicht hundertprozentig sicher, daß sich Ramses bei ihnen befand. Allerdings erschien mir die logischste Theorie, daß Ramses aus ihm allein bekannten Gründen die Männer dazu überredet hatte, ihn wieder an den Fuß der Pyramide zurückzubringen, wo er irgend etwas Abwegiges im Schilde führte. Ramses hatte immer Gründe für seine Handlungen, doch waren sie für rational denkende Menschen selten genau nachvollziehbar.
    Mein häufiges Stolpern hinderte mich am Fortkommen, denn ich befand mich immer noch in der Dunkelheit und konnte die Umrisse der verstreuten Gegenstände nicht erkennen. Als ich mich nach einem dieser Stürze wieder aufrappelte, bot sich mir ein alarmierendes und zugleich erstaunliches Bild, das jedoch auch eine gewisse Beruhigung ausstrahlte. Die dort in einiger Entfernung stehende, weißgekleidete Gestalt wirkte geisterhaft in ihrer schaurigen Umgebung, doch mir war bewußt, daß es sich um einen der Führer handeln mußte. Fest an seine Brust gepreßt trug er eine kleine, dunkle Gestalt in den Armen. Die Gliedmaßen der letzteren befanden sich in aufgeregter Bewegung, und meine Ohren vernahmen den unverwechselbaren Klang von Ramses’ Stimme, der mit seinem üblichen, langatmigen Redefluß forderte, abgesetzt zu werden.
    Mit einer augenblicklich einsetzenden geistigen Beweglichkeit, auf die ich sehr stolz bin, revidierte ich meine erste Theorie, warum Ramses meine Anordnungen nicht befolgt hatte. Es lag jetzt klar auf der Hand, daß er gegen seinen Willen festgehalten wurde. Vielleicht war das von Anfang an der Fall gewesen – obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wie die Führer Ramses ohne irgendeinen Kommentar von ihm selbst oder von den Touristen fortgelockt hatten. Doch diese Angelegenheit bedurfte einer späteren Überprüfung. Ramses’ Befreiung hatte absolute Priorität, und dieser wollte ich mich widmen; deshalb sprang ich auf und preschte mit ungeahnter Schnelligkeit vor.
    Der Mann, der Ramses festhielt, war bei meinem Auftauchen, wie ich feststellte, vor Entsetzen gelähmt. Er unternahm keine Anstalten zur Flucht. Unter Aufbietung aller Kräfte schlug ich ihm meinen Sonnenschirm auf den Kopf.
    Der Entführer gab einen Schmerzensschrei von sich und faßte sich mit beiden Händen an den Kopf, wobei er Ramses losließ, der kopfüber in den Sand fiel. In der Erkenntnis, daß der Turban die von mir beabsichtigte Wirkung des Schlages abgemildert hatte, packte ich rasch den Knauf meines Schirms und rammte dem Kerl dessen Stahlspitze in die Rippen. Er taumelte zu Boden. Als ich unbeirrt vortrat, um mein Machwerk zu begutachten, legten sich zwei kleine Hände um meinen Knöchel und brachten mich aus dem Gleichgewicht. Allein durch die Unterstützung meines Sonnenschirms gelang es mir, einen Sturz zu verhindern.
    Mit einem vorwurfsvollen Aufschrei wandte ich mich zu Ramses um. »Zum Teufel mit dir, Ramses, was tust du da eigentlich? Dieser Schurke hat dich entführt – zumindest hoffe ich das zu deiner eigenen Entlastung, denn solltest du freiwillig mit ihm gegangen sein, dann …«
    »Ich habe doch nur versucht, dich vor einer Handlung zu bewahren, die du mit Sicherheit bereuen würdest, Mama«, erwiderte Ramses. Er hielt inne, um einen Mundvoll Sand auszuspucken, und fuhr dann fort: »Dieser Mann war nicht mein Entführer, sondern mein Retter. Er hat mich aus der Hand der Personen befreit, die mich vom Gipfel der Pyramide wieder nach unten schleppten, und, ich darf hinzufügen, sich selbst erheblichen Gefahren ausgesetzt, denn meine Angreifer waren beide bewaffnet, einer mit einem langen Messer, das unter den Einheimischen als Sikkineh bekannt ist, und der andere …«
    »Ist ja schon gut. Hmmm. Bist du sicher, daß … Nun, ich nehme an, daß du dich nicht irrst. Aber warum hast du dich dann gegen ihn zur Wehr gesetzt? Ich hätte nicht so vorschnell reagiert, wenn ich nicht um deine Sicherheit besorgt gewesen wäre, da es wirklich den Anschein hatte, daß du verzweifelt versuchtest, dich aus der Hand eines Häschers zu befreien.«
    »Ich wollte nur, daß er mich absetzt«, erklärte Ramses.
    »Ich verstehe. Nun, das ergibt einen Sinn.« Ich hielt inne, um mir den liegenden Mann noch genauer anzusehen. Aufgrund der Dunkelheit konnte ich seine Gesichtszüge nur schwach erkennen, aber meine Nase witterte einen merkwürdig süßen und benebelnden Geruch.

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