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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Scheich Abu, der voller Erleichterung zu Emerson eilte, um ihn zu beglückwünschen. »Dein Sohn ist gefunden worden. Danke Allah!«
    »Ganz sicher«, erwiderte Emerson. »Aber nicht diesen Führern, die du uns überlassen hast. Sieh mich an, Abu …«
    »Eins nach dem anderen, Emerson«, unterbrach ich ihn. »Abu, halte bitte die Laterne etwas dichter über ihn. Und leih mir dein Messer.«
    Im warmen gelben Lichtschein der Laterne zeichneten sich die dunklen Flecken auf dem Ärmel des Mannes ab. Ich nahm Abus Messer und durchtrennte den Stoff. Die Menge, die sehr stark an eine Ansammlung von Wäschesäcken erinnerte, die zufällig von einem Karren gefallen waren, kam verstohlen näher heran, und der bereits erwähnte Kommentator bemerkte: »Es ist die Sitt Hakim. Zweifellos wird sie den Arm des Mannes abschneiden«, worauf sein Begleiter aufgebracht erwiderte: »Lehn dich zurück, damit ich besser sehen kann.«
    Die Schnittwunde des Mannes befand sich auf der Außenseite seines Arms und verlief vom Handgelenk bis zu seinem Ellbogen. Glücklicherweise waren keine Muskelstränge oder Venen verletzt, doch sie eiterte bereits, und ich verband sie, so gut es eben ging. Mein Patient lag ruhig und mit geschlossenen Augen, doch ich vermutete, daß er das Bewußtsein wiedererlangt hatte, und dieser Verdacht bestätigte sich, als er meine Hand bei einem erneuten Versuch, seinen Turban zu entfernen, wegschob.
    Wieder versuchte ich ihn zu beruhigen: »Ich muß Ihren Kopf untersuchen, mein Freund, damit ich feststellen kann, ob Sie eine … Verflucht«, fügte ich in englischer Sprache hinzu, »wie lautet die arabische Bezeichnung für Gehirnerschütterung?«
    »Falls ein solcher Begriff existiert, ist er mir nicht geläufig«, sagte Ramses, der mit der gleichen geschmeidigen Anmut neben mir hockte, wie sie die Araber bei dieser seltsamen Haltung an den Tag legen. »Aber du brauchst dein Arabisch nicht unter Beweis zu stellen, Mama. Der Herr ist Engländer.«
    »Höflichkeit ist eine Eigenschaft, die ich stets empfehle, Ramses«, sagte ich. »Aber der Begriff >Herr< auf diesen zwar ehrbaren, aber irgendwie anrüchigen … Was sagtest du gerade? Engländer?«
    »Zweifellos«, sagte Ramses. »Das habe ich schon gestern gedacht, als er mit den Orangen jonglierte, die der Obsthändler fallen gelassen hatte. Gewisse unverwechselbare Gesichts- und Körpermerkmale weisen eindeutig auf ein Mitglied der keltischen Nachfahren hin, und sein struppiger Bart, der aufgrund mangelnder Pflege zwar dunkler geworden ist, hatte einen Rotschimmer. Solltest du irgendwelche Zweifel an meinen Anatomiekenntnissen oder der Genauigkeit meiner Beobachtungen haben, Mama, dann darf ich noch hinzufügen, daß ich mit Bestimmtheit weiß, wie ihm beim Angriff eines meiner Entführer der Ausdruck >verflucht< über die Lippen kam.«
    Dieser Ausdruck wurde ebenso bestimmt von selbigen Lippen wiederholt. Er schlug seine Augen auf, deren Iris ein strahlendes Blau spiegelte – nicht das dunkle Saphirblau von Emersons Augen, sondern der gleiche Ton, wie ihn häufig die Türkise in den altägyptischen Schmuckstücken haben.
    Ich kauerte mich auf meine Fersen. »Unsinn«, sagte ich. »Hohe Wangenknochen und blaue Augen findet man auch bei den Berberstämmen im Norden. Eine faszinierende Menschenrasse, echte Söhne der Wüste. Es ist eine Schande, einen von ihnen in solch erbärmlichem Zustand vorzufinden …«
    »Aber es wäre doch eine noch viel größere Schande, ein Mitglied der hochstehenden britischen Rasse in einer solchen Verfassung anzutreffen, nicht wahr?« Diese Worte kamen in gewähltestem Englisch aus dem Munde des liegenden Mannes. Seine Lippen formten sich zu einem sardonischen Lächeln, und er fuhr fort: »Es tut mir leid, daß ich Sie enttäuschen muß, Madam. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeiten. Und ich bitte Sie, nun endlich wieder mein Seelenheil in der Gosse finden zu dürfen.«
    Er versuchte aufzustehen, taumelte jedoch zurück. Ich nutzte seinen hilflosen Zustand, um ihm den schmutzigen Turban und die darunter befindliche braune libdeh (Kappe) vom Kopf zu reißen. Kein Wunder, daß er sich meinen versuchen dermaßen widersetzt hatte! Ich hatte zwar Berber mit blauen oder grauen Augen kennengelernt, aber noch nie ein Exemplar mit so außergewöhnlich rotblondem Haar, wie es für die nördlichen Völker bezeichnend ist. Silberne Strähnen durchzogen das Blond. Doch als ich das sonnengegerbte Gesicht betrachtete, das (wie Ramses erwähnt

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