Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
Gesicht spritzte. »So ist es schon besser«, meinte er fröhlich. »Welch eine Nacht, was, Peabody?«
»Nichts ist besser. Du hast deinen Verband naß gemacht. Emerson, wie oft muß ich dir noch sagen –«
Ramses fiel mir ins Wort. »Ich nehme an, Papa, daß sich deine Frage auf deine neuerliche Begegnung mit dem kriminellen Verwandlungskünstler bezieht. Es würde mich interessieren zu erfahren, was –«
Bevor einer von uns beiden seinen Satz beenden konnte, sprang die Schlafzimmertür auf, und eine gutgelaunte Parade von Dienstboten trat ein – eines der Mädchen brachte ein Teetablett, ein weiteres heißes Wasser, Mrs. Watson überwachte ihre Tätigkeit, und Gargery … nun, mir war klar, warum Gargery mitgekommen war. Er unterzog sich nicht einmal der Mühe, eine glaubwürdige Ausrede vorzubringen.
»Wie geht es dem Professor, Madam?« wollte er wissen.
»Gut, gut!« brüllte Emerson. »Guten Morgen, Gargery. Wer ist noch da? Mrs. Watson? Hervorragend, ich möchte ein ausgiebiges Frühstück, Mrs. Watson – oder Mittagessen – oder was auch immer angemessen scheint … und das so schnell wie möglich, ja? Oh – Entschuldigung – äh – Susan –« Er trat zurück, damit das Mädchen (Mary Ann) einen Krug heißes Wasser auf den Tisch steilen konnte.
Ich hatte den Eindruck, daß sich unser gesamtes Personal hinter Gargery aufgereiht hatte – vier Diener, die Köchin und drei weitere Hausmädchen, einschließlich des Küchenmädchens, das im oberen Stockwerk eigentlich nichts verloren hatte.
Resigniert bemerkte ich: »Wie Sie sehen, Gargery – und alle anderen –, ist Professor Emerson wieder ganz der alte. Ich hoffe, daß Sie jetzt, nachdem Sie sich selbst überzeugen konnten, wieder Ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen.«
»Oh, Mrs. Emerson«, entfuhr es der Haushälterin. »Es tut mir leid – ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, normalerweise verhalten sie sich nicht so.«
»Ist schon in Ordnung, Mrs. Watson. Das kommt vor. Es ist nicht Ihre Schuld.«
»Verzeihen Sie, Madam«, hub Gargery an.
»Ja, was ist denn?«
»Bei allem anerbotenen Respekt, Madam, sie – und ich – wollten sich nach Ihrem Wohlbefinden erkundigen, Madam. Sie klingen ein wenig heiser, Madam. Ist es nicht besser, wenn ich den Arzt rufe, Madam, damit dieser einen Blick auf Sie wirft?«
Es dauerte einige Zeit, bis ich sie beruhigt hatte, aber schließlich zerstreuten sie sich, nachdem mir die Köchin mitgeteilt hatte, sie kenne ein gutes Rezept gegen Heiserkeit, das sich aus Honig, Pfefferminze und Brandy zusammensetze, und sie wolle es mir sogleich zubereiten. Ich schloß die Tür und sank in einen Sessel. Zum ersten Mal war ich wirklich sprachlos.
Es wäre ohnehin unmöglich gewesen, im Beisein von Ramses ein Gespräch zu führen. Also blieb ich ruhig sitzen, trank Tee – das Schlucken schmerzte ein wenig, doch die heiße Flüssigkeit bewirkte wahre Wunder – und lauschte den unüberhörbaren Geräuschen, unter denen Emerson seine Toilette beendete, unterstützt von Ramses’ anerkennenden Kommentaren, Fragen und Vorschlägen.
Schließlich tauchten sie Arm in Arm wieder auf. Emerson erlaubte mir gnädig, den Verband zu erneuern, der genau wie sein Haar tropfnaß war. Dann zog ich mich ebenfalls zur Körperpflege zurück, während sich Emerson hinsetzte, Ramses auf den Schoß nahm und ihm alles berichtete.
Der Zeitpunkt meiner Rückkehr war hervorragend gewählt. Als ich aus dem Badezimmer kam, hörte ich, wie Ramses sagte: »Aber wer war denn diese bedauernswerte Dame, Papa? Und wie konnte es passieren, daß sie während der Auseinandersetzung tödlich verletzt wurde? Ich begreife, daß du bewußtlos warst und dir deshalb die entscheidenden Momente entgangen sind, aber du hast doch definitiv gesagt, daß der Schurke zunächst auf dich abfeuerte und Mama zweifellos als nächstes erschossen hätte, denn wie ich Mama kenne, wäre sie niemals weggelaufen, sondern hätte deinen Angreifer nach Kräften traktiert. Die Blutergüsse an ihrem Hals beweisen eindeutig, daß sie sich mit ihm anlegte – und er mit ihr – sozusagen –«
»Ich weiß, was du meinst, Ramses«, erwiderte Emerson. Er warf mir einen schiefen Seitenblick zu. »Ah … hast du etwas gesagt, Peabody?«
»Nein.«
»Ist ja auch kein Wunder«, entfuhr es Emerson, während er Ramses absetzte und aufsprang. »Meine arme, geliebte Peabody, dein bezaubernder Schwanenhals ähnelt einem Gemäldeausschnitt von Turner. Er schimmert in sämtlichen
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