Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
unsere ägyptischen Arbeiter – zu dem Glauben gelangen, daß seine optische und akustische Wahrnehmung selbst Wände durchdringen kann. Ob er es nun von Ramses, dem im Bad beschäftigten Zimmermädchen oder aus anderer Quelle erfahren hatte, Gargery wußte alles über das Uschebti und die Drohung, noch bevor ihn Emerson darüber aufgeklärt hatte. Er war höflich genug, Emerson zuzustimmen, daß das Wissen, ob noch weitere Personen solche Gegenstände erhalten hatten, von Vorteil sein könnte.
»Falls Sie Ihre Nachforschungen noch heute abend betreiben möchten, Sir, werde ich dafür sorgen, daß die von Ihnen abgefaßten Briefe unverzüglich ausgehändigt werden.«
»Gute Idee von Ihnen, Gargery«, meinte Emerson.
»Nicht der Rede wert, Sir.«
Nachdem er das Speisezimmer verlassen hatte, um das Auftragen des nächsten Gangs zu überwachen, sprach ich ein ernstes Wort mit Emerson. »Also wirklich, Emerson, hältst du es für ratsam, Gargery in dieser Form ins Vertrauen zu ziehen? Ich bin sicher, Evelyn wird es nicht gefallen, wenn sich ihr Butler in das Gespräch bei Tisch einmischt.«
»Nun, Gargery ist nicht Wilkins; dieser Bursche bringt nichts anderes heraus als: >Das kann ich wirklich nicht sagen, Sir.< Gargery hat einen wirklich sinnvollen Vorschlag gemacht. Ich frage mich …«
»Was, Emerson?«
»Ich frage mich, ob er vielleicht noch eine weitere Pfeife besitzt, die er mir borgen könnte. Ich könnte sie ihm morgen wiedergeben, sobald die Geschäfte geöffnet haben.«
Nach dem Abendessen zogen wir uns in die Bibliothek zurück, um die von Gargery ins Gespräch gebrachten Briefe abzufassen. Allerdings war es uns nicht vergönnt, diese Aufgabe abzuschließen. Kaum daß wir uns mit Feder und Papier niedergelassen hatten – und einer Pfeife, die Gargery ihm selbstverständlich mit Vergnügen ausgeliehen hatte –, tauchte der Butler erneut auf.
»Da ist jemand, der Sie sprechen möchte, Professor – Mrs. Emerson.«
»Um diese Uhrzeit?« Emerson warf seine Feder beiseite. »Welch eine grenzenlose Dreistigkeit!«
»Du warst ebenfalls so dreist, deinen Freunden und Bekannten um diese Uhrzeit Boten auf den Hals zu hetzen«, erinnerte ich ihn. »Um wen handelt es sich, Gargery? Geben Sie mir seine Karte.«
»Er hatte keine Karte, Madam«, schnaubte Gargery fast so blasiert wie Wilkins. »Aber er behauptet, die Angelegenheit sei dringlich. Sein Name lautet O’Connell –«
»O’Connell? O’Connell?« Emerson runzelte die Stirn.
»Schnappen Sie sich Mr. O’Connell und … nun, Sie werden Hilfe benötigen, Gargery; Sie sind – bitte entschuldigen Sie diese Bemerkung – nicht der Stärkste. Holen Sie den kräftigsten Diener, und bitten Sie ihn, Mr. O’Connell am Kragen zu packen und ihn zu schütteln, bis ihm –«
»Nein, warte, Emerson«, wandte ich ein; denn Gargerys Gesichtsausdruck deutete daraufhin, daß er zu allem bereit war, was sein Idol von ihm verlangte. »Mr. O’Connell würde nicht hierherkommen – schon gar nicht zu dieser späten Stunde –, wenn er nicht aufsehenerregende Neuigkeiten erfahren hätte. Sollen wir uns nicht anhören, was er zu berichten weiß?«
»Der Punkt geht an dich, Peabody. Hinterher kann ich ihn immer noch in den Seerosenteich werfen. Dann habe ich wenigstens die Genugtuung, es mit eigenen Händen getan zu haben. Bringen Sie den Herrn zu uns, Gargery.«
»Ja, Sir.« Gargery marschierte aus dem Zimmer. Emerson beugte sich vor, seine Augen strahlten vor Vorfreude – ob das nun mit der von O’Connell möglicherweise gelieferten Information oder der Umsetzung der von ihm beschriebenen Drohung zu tun hatte, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.
Erstmalig legte O’Connell nicht die bei ihm in Gegenwart von Emerson übliche Vorsicht an den Tag. Er hatte es so eilig, mit uns zu reden, daß er an Gargery vorbeipreschte, noch bevor dieser ihn korrekt angekündigt hatte. Den Hut in der Hand, sein Haar wild zerzaust, schrie er: »In dem Mordfall hat eine Verhaftung stattgefunden. Mrs. Emerson – Professor – sie haben den Falschen gestellt!«
8
Ich überredete Mr. O’Connell, sich hinzusetzen und einen Whiskey Soda mit uns zu trinken. »Auch wenn Ihre dramatische Ankündigung«, erklärte ich ihm, »sicherlich unsere ungeteilte Aufmerksamkeit findet, schätze ich eine präzise, zusammenhängende Schilderung, zu der Sie in Ihrer derzeitigen Verfassung nicht in der Lage zu sein scheinen.«
Aufgrund meiner kleinen Strategie erhoffte ich mir, Emersons
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