Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
Einstellung gegenüber Kevin O’Connell positiv zu beeinflussen. Wenn ein Mann erst einmal eine Erfrischung und einen Stuhl in Ihrem Heim angeboten bekommen hat, wird es unwahrscheinlicher, daß Sie ihn in einen Teich stoßen.
Gargery servierte uns und zog sich dann zurück. Allerdings fiel mir auf, daß er die Tür einen Spaltbreit offengelassen hatte.
Sobald sich Kevin einen anständigen Schluck Whiskey genehmigt hatte, kehrten seine journalistischen Instinkte zurück, und er erzählte uns eine zusammenhängende, wenn auch stellenweise entsetzliche Geschichte.
Bei dem Verhafteten handelte es sich um ein Mitglied der Ägyptischen Gemeinschaft in London, einen gewissen Ahmet, der sich von seinen zahllosen Landsleuten gleichen Vornamens durch den bezeichnenden Beinamen »die Laus« unterschied. Er selbst beschrieb sich großspurig als Kaufmann, doch Kevin zufolge war er nur ein kleiner Händler, noch dazu ein erfolgloser, weil er seinen Waren vermutlich selbst zu sehr zusprach.
»Opium, Haschisch und andere gebräuchliche Rauschmittel«, bemerkte Kevin. »Oh, ich gestehe, er hat einen abgrundtief schlechten Charakter. Für Geld tut er alles, und wenn ihn die Sucht packt, würde er sogar seine eigene Mutter hintergehen. Gelegentlich habe ich ihn selbst für meine Zwecke mißbraucht. Auf seine Art ist er ein mieser, unverbesserlicher Saukerl, aber er besäße weder den Mut noch die Körperkraft, einen so brutalen Mord zu begehen.«
»Dann ist er sicherlich bald wieder auf freiem Fuß«, murmelte Emerson, auf dem Mundstück seiner – genauer gesagt: Gargerys – Pfeife kauend.
»Seit dem Tumult im Museum steht die Polizei unter einem starken Druck hinsichtlich der Aufklärung des Falles«, betonte Kevin. »Die Treuhänder haben sich an die Polizeibehörde gewandt, die wiederum den Hauptkommissar unter Druck setzte, bis dieser seine Untergebenen auf den Plan rief. Und dieser Idiot Cuff hat Ahmed zum Sündenbock abgestempelt. Niemand wird ihn entlasten –«
»Sie haben absolut recht, Kevin«, entfuhr es mir. »Der arme Kerl ist in großer Gefahr. Inspektor Cuffs Vorgehensweise beeindruckte mich nicht sonderlich.«
Emerson strich sich über sein energisches Kinn, aber er war keineswegs so geistesabwesend, als daß er meinen Lapsus nicht bemerkt hätte. »Was?« brüllte er. »Was hast du gesagt? Wann hast du –«
»Das ist doch jetzt unwichtig, Emerson. Mr. O’Connell hat recht. Kein ungebildeter, kleiner Ganove ist in der Lage, eine solche Serie von Verbrechen zu planen.«
»Hmhm«, machte Emerson. »Aber dann –«
Kevin beugte sich vor. »Im Interesse des Gesetzes müssen Sie einschreiten, Professor. Die Londoner Polizei kennt den ägyptischen Charakter beileibe nicht so gut wie Sie. Selbst diejenigen, die in Kairo gearbeitet haben, hatten nur wenig mit der einheimischen Bevölkerung zu tun, sie sprechen weder die Sprache, noch –«
»Ja, Emerson, ja!« rief ich. »Es ist deine Pflicht, die Polizei bei dieser Sache zu unterstützen. Wenn ich nur daran denke, wie sie den armen Kerl verhören werden, gefesselt und von riesigen Beamten geschlagen!«
»Ach, komm, Peabody, die Polizei foltert keine Verdächtigen«, knurrte Emerson. Dennoch wirkte er irritiert; er kratzte sich sein Kinngrübchen und fuhr fort: »Was erwartet ihr von mir? Mr. O’Connell, Sie glauben doch sicherlich nicht, daß ich eine Opiumhöhle aufsuche –«
Ich beendete seinen Satz. »– noch dazu am Sabbat. Ich schätze deine Umsicht, Emerson, bin mir aber dessen bewußt, daß solche Überlegungen für dich nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Allerdings endet der Sabbat um Mitternacht, und das ist eine gute Zeit, um solche Höhlen in Aktion zu erleben, obwohl mir versichert wurde, daß sie aufgrund ihrer Klientel rund um die Uhr geöffnet sind.«
»Wer hat Ihnen das denn gesagt?« stammelte Kevin.
»Peabody«, schnauzte Emerson, »ich werde dich weder am Sabbat noch an irgendeinem anderen Tag mit in eine Opiumhöhle nehmen.«
»Deine Syntax läßt wirklich zu wünschen übrig.« Scherzhaft drohte ich ihm mit meinem Zeigefinger. »Du streitest also nicht ab, daß du eine Opiumhöhle aufzusuchen beabsichtigst. Glaubst du etwa, ich ließe dich allein gehen? >Wo du hingehst, da werde auch ich hingehen, und wo du …<«
»Oh, sei still, Peabody! Und zitiere mir nicht die Bibel!«
»Also gut, wenn es dich stört. Noch einen kleinen Whiskey, mein Lieber? Ich bin sicher, Mr. O’Connell kann noch ein Glas vertragen.«
Ich nahm es aus
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