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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Musik und brach das Schweigen. Das schrille Pfeifen der Flöten mischte sich mit dem Klagen der Oboen, dem Klimpern von Harfen und leisem Trommelwirbel. Durch eine Tür im hinteren Teil des Heiligtums kamen die Musikerinnen. Ihnen folgten weißgewandete Priester, deren rasierte Schädel im Lampenlicht glänzten. Murtek und Pesaker gingen Seite an Seite. Obwohl Pesaker kräftig und ausladend einherschritt, gelang es dem alten Mann, nicht zurückzubleiben, wobei er allerdings immer wieder ins Trippeln geriet. Hinter ihnen wogte eine Wolke weißer Schleier herein – die Mägde kamen mit feierlichen Tanzschritten näher. Ich versuchte, sie zu zählen, doch da sie einander nach komplizierten Riten umkreisten, verlor ich bald den Überblick. Ihre Bewegungen machten mich schwindelig; erst als sie in einem letzten Aufwallen der Schleier vor dem Altar stehenblieben, erkannte ich, daß sie um eine Gestalt herumgetanzt waren, die nun auf einem niedrigen Schemel Platz nahm. Wie die anderen war sie von Kopf bis Fuß in Weiß gehüllt, aber in ihrem Gewand funkelten goldene Fäden.
    Die nun folgende Zeremonie habe ich in einem wissenschaftlichen Artikel geschildert (dessen Veröffentlichung sich leider aus Gründen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, verschieben wird), weshalb ich die Laien unter meinen Lesern nicht mit Einzelheiten langweilen möchte. In vielerlei Hinsicht (unter anderem wurden zwei arme Gänse geopfert) erinnerte sie mich an das wenige, was ich über ähnliche Zeremonien im Altertum wußte. Emerson packte Ramses fest bei der Hand, als die Gänse hereingebracht wurden, aber ich muß meinem Sohn zugute halten, daß er die Vergeblichkeit eines Widerspruchs einsah. Allerdings hätte ich ein paar zusätzliche Leibwächter eingestellt, hätte der Blick, mit dem er den messerschwingenden Pesaker bedachte, mir gegolten.
    Nach der Opferung der Gänse kam eine Gruppe Priester mit einem riesigen, reich bestickten Leintuch hereingelaufen, das sie über Amons steinerne Schultern breiteten. Ich konnte nicht erkennen, wie sie das zustande brachten, denn sie machten sich hinter der Statue zu schaffen; man mußte davon ausgehen, daß sie ein Gerüst oder Leitern benutzten. Als sie sich wieder zeigten, führten sie eine Frau vor sich her, die – prächtiger als alle weiblichen Wesen, die ich bislang gesehen hatte – in ein Gewand aus durchsichtigem Leinen gehüllt war. Auf dem Kopf trug sie eine Königskrone. Pesaker ging ihr entgegen und geleitete sie vor die Statue. Dort angekommen, begann sie, die Füße und gewisse andere Körperteile der Statue zu liebkosen und einige unmißverständliche Gesten zu vollführen, die ich hier nicht näher erläutern muß. Dann nahm Pesaker sie bei der Hand und brachte sie hinter die Statue, wo sie verschwand.
    Nachdem Amon gebührend geehrt worden war, kamen nun Osiris und Isis an die Reihe. Die verschleierte Gestalt vor dem Altar stand auf und erhob die Hände. Ich hatte nicht gesehen, was sie darin hielt; nun aber hörte ich die Geräusche, die sie verursachten, als die Frau sie sanft schüttelte – es waren Sistren, die seltsamen, rasselähnlichen Instrumente, die der Göttin Hathor geweiht sind; auf Drähte aufgefädelte Perlen aus Kristall und Bronze, die ein sanftes, melodisches Klimpern erzeugen wie Wasser, das über Steine plätschert. Die Frau schüttelte sie – begleitet von Gesang – vor Osiris und Isis. Dann häuften die Mägde vor beiden Statuen Blumen auf, und die Frau kehrte zu ihrem Schemel zurück.
    Woher, mag sich der werte Leser fragen, wußte ich, daß es sich bei der Gestalt um eine Frau handelte? Trotz der Schleier erkannte ich, wie zierlich und anmutig sie war, und als sie schließlich sprach, ließ ihre Stimme nicht mehr an ihrem Geschlecht zweifeln.
    Diese Stimme vernahmen wir zuerst, als sie sich singend an den Gott wandte; sie war hoch und klar und wäre mit der richtigen Ausbildung meiner Ansicht nach recht hübsch gewesen. Doch das zitternde Jaulen, das hierzulande als Gesang galt, brachte sie kaum zur Geltung. Allerdings war Ramses offenbar davon fasziniert; ich sah, daß er sich mit gespannter Miene vorbeugte.
    Dann kletterten die Priester wieder die Leiter hinauf und nahmen Amon das Tuch ab. Sie falteten es sorgfältig zusammen wie Hausmädchen ein Bettlaken. Danach vollführte Pesaker seine letzte, fast beiläufige Geste der Hochachtung in Richtung der Statuen … und dann wies er, so plötzlich, daß ich zusammenzuckte, auf uns.
    Ich konnte nicht

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