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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Sprechgesang an.
    Amenit hatte unsere Bitte erfüllt. Vor uns stand die Hohepriesterin. Doch wenn sie den Schleier nicht abnahm, würde der lange, strapaziöse und gefährliche Weg vergebens gewesen sein. Zum Glück für meine Nerven dauerte die Zeremonie nicht lang und wirkte fast wie eine Pflichtübung. Nach einem kurzen Lied knieten die Gestalten nieder, erhoben sich und fielen wieder auf die Knie. Während die beiden Mägde in dieser Stellung verharrten, stand die Hohepriesterin auf und führte die Hände ans Gesicht. Ihr Schleier erzitterte und fiel. Dann schloß ich – wie ich zu meiner Schande gestehen muß – die Augen. Denn sie hatte den Schleier abgenommen, um die vermoderte Stirn der Leiche zu küssen.
    Sie war nicht Mrs. Forth, sondern hatte die kohlschwarzen Locken und die glatten, gebräunten Wangen einer jungen Kuschitin von hoher Geburt.

13. Kapitel

    »Genausowenig könnte ich Ramses im Stich lassen«
     
    Ich rückte von der Öffnung ab, damit Emerson Ramses hochheben könnte, denn dieser hatte mir durch ständiges Zerren und Schubsen zu verstehen gegeben, daß er auch etwas sehen wollte. Kurz darauf wurde das Licht in der Kammer schwächer, verlosch jedoch nicht ganz: Die Frauen hatten die Lampen zurückgelassen, um dem Toten zu leuchten, und sie würden weiterbrennen, bis das Öl verbraucht war – eine Mahnung an die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins. Auch wir treten hinaus in die Dunkelheit, wenn unser Licht niedergebrannt ist.
    So tief war ich in philosophische und andere Gedanken versunken, daß Reggies Flüstern mir wie ein Schrei vorkam. »Nun? War es …?«
    Erst dann fiel mir ein, daß er nicht die Möglichkeit gehabt hatte, selbst einen Blick in die Kammer zu werfen. »Nein«, zischte ich.
    Schweigend traten wir den Rückweg an. Eigentlich hätte ich über den Sinn der grausigen Zeremonie nachdenken und die Ausstattung der Grabkammer für eine spätere Abhandlung im Geiste noch einmal durchgehen sollen, doch mich hatte sonderbarerweise Niedergeschlagenheit überkommen. Ich hatte Ramses’ Theorie, es könnte sich bei der Hohepriesterin um Mrs. Forth handeln, nie wirklich Glauben geschenkt, aber trotzdem hatte ich mir gestattet zu hoffen. Das Schicksal der armen jungen Braut war mir immer viel tragischer erschienen als das ihres Gatten. Er hatte zumindest gewußt, worauf er sich einließ, während sie ihm nur treu gefolgt war, ohne an seiner Urteilsfähigkeit und dem Schutz, den er ihr bieten konnte, zu zweifeln. Das mochte dumm gewesen sein, wies jedoch auf eine edle Gesinnung hin. Ich hatte tiefstes Verständnis für sie – nicht wegen ihrer Dummheit, sondern wegen ihres Muts.
    Ohne Zwischenfall erreichten wir unsere Gemächer, die wir so dunkel und verlassen vorfanden wie bei unserem Aufbruch. »Ich würde mich gerne waschen«, sagte ich leise zu Emerson, »aber vermutlich ist es nicht ratsam, da ich dann Gefahr liefe, unseren Hofstaat zu wecken. Übrigens, Emerson, was ist mit unseren Kleidern? Der Staub und die Spinnweben könnten Spitzel auf uns aufmerksam machen.«
    Amenit hatte das – oder einen Teil davon – verstanden und kicherte. »Ich werde sie verstecken. Gebt sie mir.«
    »Etwa sofort?« fragte Emerson entrüstet.
    »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze, Herr Professor«, meinte Reggie. »Gehen Sie gleich zu Bett. Um Mitternacht wechseln die Wachen.«
    Er ging mit gutem Beispiel voran, indem er sich eilig in sein Zimmer begab. Amenit begleitete ihn. Ich konnte zwar in der Dunkelheit nicht richtig sehen, aber sie standen so dicht beisammen, daß ich annahm, er habe den Arm um sie gelegt. Ein leises Kichern drang an unser Ohr, während sie in der Finsternis verschwanden.
    »Hast du gehört, Emerson?« flüsterte ich. »Die Wachen wechseln um Mitternacht!«
    »Hmmm. Anscheinend ist die erste Schicht der Dame treu ergeben, und die andere nicht. Sie macht einen sehr fähigen Eindruck, wenn sie nur nicht so viel kichern würde. Beeil dich, Peabody, wir befolgen am besten Forthrights Rat.«
    Offenbar waren die zarten Leinengewänder in unbegrenzter Menge vorhanden. Ich rollte die schmutzigen Kleider zu einem Bündel zusammen und versteckte sie unter dem Bett. Hoffentlich würde Amenit sich morgen darum kümmern. Für den Rest der Nacht schien sie andere Pläne zu haben.
    Bald gesellte Emerson sich zu mir. »Wenn du schlafen willst, Peabody, gehe ich wieder«, flüsterte er.
    »Ich bezweifle, daß ich überhaupt schlafen kann. Was sollen wir tun,

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