Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
habe. Meine Sprachkenntnisse sind zu begrenzt, um juristische Feinheiten auszudrücken.«
    Ramses räusperte sich. »Wenn du erlaubst, Papa …«
    »Ganz bestimmt nicht!« rief ich aus. »Welchen Eindruck würde das machen, wenn ein kleiner Junge sich anmaßt, für seine Eltern zu sprechen? Außerdem bezweifle ich, daß Seine Hoheit mit besagten juristischen Feinheiten etwas anfangen kann.«
    Nastasens Gesicht rötete sich vor Wut. »Seid still! Warum zeigt Ihr keine Furcht? Ihr seid in meiner Hand. Werft Euch in den Staub und fleht um Gnade.«
    »Wir fürchten niemanden«, entgegnete ich auf meroitisch. »Und wir knien nur vor Gott.«
    Der Hohepriester Aminreh ließ ein heiseres Lachen vernehmen. »Bald werdet ihr vor ihm knien, und Heneshems (?) Hand wird …«
    »Ich bestimme, was hier geschieht!« brüllte Nastasen seinen Gefolgsmann an.
    »Jawohl, edler Prinz. Vergebt Eurem Diener«
    Aber, aber, dachte ich (denn mir erschien es ratsam, in diesem Augenblick zu schweigen). Offenbar war Prinz Nastasen nichts weiter als ein bösartiger, verwöhnter kleiner Junge. Er würde einen äußerst unfähigen Herrscher abgeben, und bald würde die wahre Macht im Land in Pesakers Händen liegen.
    Allerdings können bösartige kleine Jungen sehr gefährlich werden, wenn sie eine Armee von bewaffneten Männern befehligen. Und Nastasen bewies, daß er doch nicht so dumm war, wie ich vermutet hatte. Sein Atem wurde langsamer, seine Muskeln entspannten sich, und sein finsterer Blick wurde von einem tückischen Lächeln abgelöst.
    »Ihr seid Fremde«, sagte er. »Und Ihr habt hier keine Freunde? Ihr hattet vor Eurer Ankunft einen Freund. Ihr seid die Freunde eines Verräters.«
    »Mitgefangen, mitgehangen«, flüsterte ich Emerson zu.
    »Laß ihn ausreden«, meinte Emerson. »Das gefällt mir überhaupt nicht …«
    »Er ist ein Verräter an seinem Volk«, fuhr Nastasen fort. »Er verrät die Seinen und erhebt die … (offenbar eine Beschimpfung), um über sie zu herrschen.« Mit der Handfläche schlug er sich auf die Brust. »Aber ich, der große Prinz und Verteidiger meines Volkes, sehe alles, was im Land vor sich geht. Ich habe diesen Nichtswürdigen enttarnt; ich weiß, wer er ist, ich kenne seinen Namen! Und nun …«
    Laut klatschte er in die Hände und drehte sich um. Darauf kamen zwei Soldaten herein, die einen Gefangenen zwischen sich schleppten. Grob zwangen sie ihn in die Knie. Man hatte ihm die Arme auf dem Rücken gefesselt, allerdings nicht an den Handgelenken, sondern an den Ellenbogen. Diese besonders unbequeme Haltung kannte ich aus altägyptischen Gefangenendarstellungen. Sein Gesicht war immer noch von der Kapuze bedeckt, und er trug denselben grobgewebten Rock wie letzte Nacht. Sie mußten ihn, kurz nachdem er sich von uns verabschiedet hatte, gefaßt haben. Entweder hatten wir ihn zu lange aufgehalten – oder jemand hatte ihm eine Falle gestellt. Ich sah mich nach Amenit um. Sie war verschwunden, und Reggie ebenfalls.
    Feixend wie ein Bühnenschurke, beugte sich Nastasen über seinen Bruder. »Er hat melodramatisches Talent«, murmelte Emerson. »Ich frage mich, ob man hier immer noch die alten, religiösen Theaterstücke aufführt. Halt dich bereit für die nächste Szene, Peabody.«
    Ich rückte näher an Emerson heran. Er legte den Arm um mich. Hinter mir entstand ein schlurfendes Geräusch, als Ramses sich bewegte; in welche Richtung, konnte ich nicht feststellen.
    Nastasen genoß seinen Triumph und sein theatralisches Gehabe so sehr, daß er nicht auf uns achtete. »Er versteckt sein Gesicht wie ein Feigling, aber ich erkenne ihn! Mein Auge sieht alles und weiß alles. Vielleicht sind Eure Augen schwach; vielleicht habt Ihr ihn nicht erkannt. Seht her!«
    Er riß Tarek die Kapuze ab. Zu meiner Erleichterung war unser Freund bis auf ein paar Schrammen unversehrt. Sein Gesicht zeigte, obwohl ein wenig bleicher als gewöhnlich, keine Angst. Verächtlich sah er seinen Bruder an. Nastasen packte ihn grob beim Haar, zerrte ihm den Kopf in den Nacken, zog ein Messer aus der Tasche und hielt die scharfe Klinge gegen die pulsierende Ader an Tareks Kehle.
    Ein leises Stöhnen, wie ein melancholischer Winterwind, ging durch den Raum. Die kleinen Leute sahen zu und trauerten um ihre Hoffnung, die mit der Ergreifung ihres Helden dahin war.
    Ein dünnes Rinnsal Blut lief Tareks gebräunten Hals hinab. Doch er gab keinen Laut von sich und regte keine Miene. Ich spürte Emersons Finger an meinem Gürtel, als würde er

Weitere Kostenlose Bücher