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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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ihren Dienst an. Zwar konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, aber nichts an ihrem Verhalten oder ihren Bewegungen wies darauf hin, daß sie ein Betäubungsmittel zu sich genommen hätte. Reggie hingegen verließ erst am späten Vormittag sein Zimmer, und bei seinen ersten Worten blieb mir fast das Herz stehen. »Was zum Teufel tun diese Wilden in ihren Wein? Seit meiner Studentenzeit habe ich mich nicht mehr so elend gefühlt.«
    »Diese Ausrede habe ich schon von anderen jungen Männern gehört, die einen über den Durst getrunken hatten«, erwiderte ich streng. »Vermutlich haben Sie mit Ihrer Angebeteten Wiedersehen gefeiert, aber das macht Ihren Fehltritt schlimmer, anstatt ihn zu entschuldigen.«
    Stöhnend hielt sich Reggie den Kopf. »Bitte keine Gardinenpredigt, Mrs. Amelia, ich fühle mich so schon entsetzlich genug.« Seine Stimme sank zu einem aufgeregten Flüstern. »Es steht alles bereit. Heute nacht …«
    Ich warf Emerson einen Blick zu. Er antwortete mir mit einem kaum merklichen Nicken, und ich verstand ihn sofort, denn dank unserer geistigen Verwandtschaft brauchten wir fast keine Worte. »Warte«, lautete seine Botschaft, »widersprich nicht. Vielleicht kommt ja etwas dazwischen.«
    Das hoffte ich sehr, denn uns war noch keine überzeugende und trotzdem unverdächtige Ausrede eingefallen, warum wir nun auf einmal nicht mehr fliehen wollten. Wenn uns die zündende Idee nicht vor dem Aufbruch kam, würden wir eine plötzliche Erkrankung vortäuschen müssen. Ein weiterer Vorschlag war (er kam von mir, und ich hielt ihn für sehr schlau), Ramses könne sich verstecken und sich einfach nicht finden lassen. Als ich ihn fragte, ob er das zuwege bringen könnte, sah er mich nur gönnerhaft an und nickte.
    Emerson benahm sich an diesem Morgen wie gewöhnlich; er war lediglich ein wenig schweigsam. Seine Besorgnis merkte ich ihm nur daran an, daß er sehr viel rauchte. Ich beneidete ihn um den verflixten Tabak, denn offenbar beruhigte er seine Nerven, was auch meine dringend nötig gehabt hätten. Obwohl ich nicht an übernatürliche Mächte glaube – das verbietet die Bibel –, bin ich dennoch fest davon überzeugt, daß manche Menschen einen sechsten Sinn fürs Atmosphärische haben. Ich gehöre zu diesen Menschen, und an diesem Morgen fühlte ich mich, als könne ich kaum atmen. Ein Unheil lag in der Luft.
    Es heißt, daß ein Verurteilter beim Warten auf die Hinrichtung mehr leidet als während des tatsächlichen Vorgangs.
    Obgleich ich daran meine Zweifel habe, spürte ich fast so etwas wie Erleichterung, als – natürlich nur bildlich gesprochen – die Axt endlich fiel. Reggie klagte gerade über Kopfschmerzen und beschwerte sich, mein Pulver habe nichts dagegen bewirkt, als wir marschierende Schritte hörten. Es klang eher wie ein Trupp Soldaten als wie die Eskorte des Prinzen.
    Das Zimmer leerte sich wie durch Zauberhand; ein rekkit versteckte sich eilig, während die Diener, die nahe an den Ausgängen standen, hastig die Flucht ergriffen. Nur wer sich nicht mehr durch die Tür hatte drängen können oder schwer von Begriff war, blieb zurück, Während sich alle auf die Knie warfen, erhob ich mich. Mit einem Satz stand Emerson neben mir; sein Gesicht war aufmerksam wie das einer Katze auf Beutefang. Dann wurden die Vorhänge beiseite gestoßen und sechs, acht, zehn Speerträger mit ledernen Helmen marschierten herein. Ihnen folgte Prinz Nastasen in Begleitung von Pesaker und Murtek. Als ich mich vergebens nach Tarek umsah, wurde mir sehr mulmig, Nastasen, die Daumen in den Gürtel gehakt, musterte uns. Wahrscheinlich wollte er uns mit seinem finsteren Blick einschüchtern, der wahrhaft fürchterlich anzusehen war. Doch als Emerson ihn mindestens ebenso böse anfunkelte, gab sich der Prinz geschlagen.
    Anklagend wies er mit dem Finger auf uns. »Ihr seid Verräter!« brüllte er. »Ihr habt Euch mit meinen Feinden verschworen (?)!«
    Murtek fing an, das Gesagte hastig zu übersetzen, doch der Prinz brachte ihn mit einem Ausruf zum Verstummen, bei dem es sich offensichtlich um einen Fluch handelte. »Sie sollen in unserer Sprache antworten. Nun?« Er zeigte mit dem Finger auf Emerson. »Habt Ihr mich verstanden?«
    »Ich höre Eure Worte, aber sie ergeben keinen Sinn (wörtl.: enthalten keine Weisheit)«, erwiderte Emerson ruhig. »Wir sind Fremde. Wie können wir deine Feinde sein, wenn wir dich nicht kennen? Verdammt«, fügte er auf englisch hinzu. »Ich weiß nicht, ob ich es richtig erklärt

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