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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Mal zu wiederholen. Während ich die Flasche an meinem Gürtel festhakte, fuhr ich fort: »Ich schätze Menschen selten falsch ein, aber offenbar ist das hier einer meiner seltenen Irrtümer.«
    Wir brauchten nicht zu besprechen, was wir nun tun sollten. Wir würden weitergehen und uns nicht geschlagen geben, bis unsere Kräfte erschöpft waren. So sind die Emersons nun einmal.
    Wir waren ein kläglicher Haufen. Emerson, bärtig und abgezehrt, ging voran. Ramses war so klapperdürr und braun wie eine kleine Mumie. Ich war nur froh, daß ich mich selbst nicht sehen konnte. Unermüdlich gingen wir weiter, bis die morgendliche Kühle vorüber war und die Sonne sengend heiß auf uns herniederbrannte. Ich begann merkwürdige Umrisse in der flirrenden Hitze wahrzunehmen: Trugbilder von Palmen und Minaretten, schimmernd weiße Stadtmauern und eine hohe Klippe, aus der bizarre Ruinen emporragten. Sie verschwammen zu einem grauen Nebel, als ob es schon Abend wäre. Meine Knie gaben nach. Es war ein seltsames Gefühl, denn ich war bei vollem Bewußtsein; meine Beine wollten mir einfach nicht mehr gehorchen.
    Emerson beugte sich über mich. »Wir können das Wasser genausogut austrinken, Peabody. Sonst verdunstet es nur.«
    »Du zuerst«, krächzte ich. »Dann Ramses.«
    Emersons Lippen sprangen auf, als er sie zu einem Lächeln verzog. »Nun gut.«
    Er hob die Flasche. Mit verschleiertem Blick beobachtete ich seine Kehle und sah, daß er schluckte. Er reichte die Flasche Ramses, der das gleiche tat und sie dann mir gab. Ich trank den letzten Rest Wasser, zwei lange, köstliche Schlucke, bis mir die Wahrheit dämmerte. »Du hast nicht … Ramses, ich habe doch gesagt …«
    »Vom Reden bekommt man nur einen trockenen Hals, Mama«, sagte mein Sohn. »Papa, wir können doch eine der Decken als Bahre benutzen. Ich trage das eine Ende, und du …«
    Das heisere Krächzen, das sich Emersons Kehle entrang, erinnerte nur schwach an sein sonstiges herzliches Lachen. »Ramses, ich bin stolz darauf, dein Vater zu sein, aber ich glaube nicht, daß das funktioniert.« Er beugte sich über mich, nahm mich in seine Arme und ging los.
    Ich war zu schwach, um mich zu wehren. Hätte ich noch Flüssigkeit in mir gehabt, ich hätte geweint – vor Stolz.
    Nur ein Mann wie Emerson mit der Körperkraft eines antiken Helden und den moralischen Prinzipien eines englischen Gentleman hatte so lange durchhalten können. Während mir immer wieder die Sinne schwanden, spürte ich seine Arme, die mich fest umfaßt hielten. Mit langsamen, regelmäßigen Schritten legte er Meter um Meter zurück. Doch selbst seine gewaltige Muskelkraft hatte ihre Grenzen. Als er stehenblieb, gelang es ihm gerade noch, mich vorsichtig am Boden abzulegen, ehe er neben mir zusammenbrach – und seine letzte Handlung war, die Hand auszustrecken, so daß sie auf meiner ruhte. Ich war zu schwach, den Kopf zu wenden, doch es gelang mir, meine andere Hand wenige Zentimeter zu bewegen, bis ich spürte, daß eine andere, kleinere Hand sie umfaßte. Als meine Sinne im gnädigen Nebel des herannahenden Todes versanken, dankte ich dem Allmächtigen, daß wir jetzt, am Ende, alle vereint waren. Gott hatte mir die Qual erspart, die Menschen, die ich liebte, sterben zu sehen.

 
     
    Zweites Buch

8. Kapitel

    Die Stadt des Heiligen Bergs
     
    Das Jenseits war längst nicht so angenehm, wie ich es mir vorgestellt hatte.
    Das soll nicht heißen, daß ich eine präzise Vorstellung vom Leben nach dem Tode gehabt hätte, denn die landläufigen Bilder von Engeln, Heiligenscheinen, Harfen und Himmelschören sind mir schon immer ein wenig albern erschienen. Schlimmstenfalls, so glaubte ich, würde das Paradies einem tiefen Schlaf ähneln, bestenfalls ein Wiedersehen mit geliebten Menschen bedeuten, die vor mir dahingeschieden waren. Ich freute mich darauf, meiner Mutter zu begegnen, die ich nie kennengelernt hatte, denn ich war sicher, daß sie ein bemerkenswerter Mensch gewesen sein mußte. Mein geliebter Papa saß bestimmt in irgendeiner Himmelsbibliothek und widmete sich seinen endlosen Forschungen. Ich fragte mich, ob er mich wohl wiedererkennen würde. Zu Lebzeiten war er in diesem Punkt zuweilen recht unzuverlässig gewesen.
    Das Delirium kann seltsame Formen annehmen. Wäre ich nicht so sicher gewesen, daß ich ein tugendhaftes Leben geführt hatte, ich hätte mich in der Hölle geglaubt, denn ich fühlte mich, als würde ich auf einem riesigen Rost gebraten. Unmengen von Wasser wurden mir

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