Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
Schlußfolgerung drängt sich auf«, fuhr ich fort. »Wer sonst als ein Meister der Verkleidung, als welchen wir den Meisterverbrecher kennen, könnte Mr. Vinceys Aussehen so präzise nachgeahmt haben?«
Mit gefährlich sanfter Stimme bat Emerson um genauere Erläuterung meiner Worte. Ich kam dieser Aufforderung im großen und ganzen nach, wobei ich aber Einzelheiten unserer früheren Begegnung mit Sethos aussparte. Als ich zu Ende gesprochen hatte, betrachtete mich Emerson nachdenklich, bevor er das Wort ergriff.
»Ich hatte schon geglaubt, Sie würden weniger an Hirngespinsten leiden als andere Vertreterinnen Ihres Geschlechts, Peabody. Es täte mir leid, wenn ich mich geirrt hätte, doch dieser närrische Unsinn, diese Phantasiegeschichte …«
»Es gibt diesen Mann«, sagte Vincey. Emerson wandte seinen mißbilligenden Blick nun Vincey zu und errötete leicht. »Jeder, der in den Schwarzhandel mit Antiquitäten verstrickt war, kennt ihn. Jenes unglückliche Ereignis in meiner Vergangenheit, das ich bitter bereue und seither durch untadeligen Lebenswandel wiedergutzumachen versuche, brachte mich in Kontakt mit derartigen Geschäften.«
»Ja, ja«, Karl nickte heftig. »Auch ich habe davon gehört. Man ist natürlich geneigt, es als nichtiges Geschwätz abzutun, doch kein Geringerer als M. de Morgan …«
»Mumpitz!« schrie Emerson, und sein Gesicht lief rot an. »Man muß offenbar davon ausgehen, daß irgend jemand aus Vinceys Abwesenheit Nutzen gezogen hat, doch verschonen Sie mich mit diesem Unsinn über Meisterverbrecher. Ihr leichtgläubigen Narren könnt, wenn ihr wollt, den ganzen Tag hier herumsitzen und Märchen erzählen; ich jedenfalls mache mich wieder an die Arbeit.«
Und fort war er, wobei ihm Abdullah auf den Fersen folgte, und der Kater sich wiederum an Abdullahs Fersen heftete.
Vincey lächelte wehmütig. »Ich habe wohl bei Anubis meine Gunst verspielt. Katzen sind nachtragende Wesen. Wie ich annehme, bestraft er mich dafür, daß ich ihn verlassen habe, und er läßt keine Entschuldigung gelten. Ich hoffe, Sie sind barmherziger, Mrs. Emerson. Glauben Sie mir?«
»Kein vernünftiger Mensch könnte an Ihren Beweisen zweifeln«, erwiderte ich und blickte von dem kleinen Stapel Rechnungen und Bestätigungen – die ich natürlich sorgfältig geprüft hatte – zu Karl von Bork, der ein feierliches Gesicht machte. »Und das Mißverständnis hat mir die Freude beschert, Karl wiedersehen zu dürfen. Wie geht es Mary, Karl? Wir hörten, daß sie krank war.«
»Es geht ihr wieder besser, danke. Doch – der Herr Professor … Stimmt es also, was wir von Freunden gehört haben? Er schien mich nicht zu erkennen.«
»Er leidet an vorübergehendem Gedächtnisschwund, was manche Dinge angeht«, gab ich zu – denn es wäre töricht gewesen, es abzustreiten. »Allerdings ist das nicht allgemein bekannt, und ich hoffe, Sie werden mit Ihrem Wissen diskret umgehen – insbesondere gegenüber Walter, falls Sie ihm zufällig schreiben sollten.«
»Wir korrespondieren viel seltener, als es mir lieb wäre«, meinte Karl. »Mr. Walter Emerson ist ein überaus brillanter Forscher; auf meinem Fachgebiet, der Philologie, ist er der leuchtendste Stern am Gelehrtenhimmel. Und er weiß nicht, daß sein hochberühmter Bruder …«
»Wir rechnen mit einer vollständigen Genesung«, sagte ich entschlossen. »Wir sollten Walter keinen unnötigen Kummer bereiten. So gern ich auch mit Ihnen weiterplaudern möchte, Karl – die Pflicht ruft mich. Werde ich Sie später noch sehen? Vielleicht möchten Sie beide heute abend mit uns auf Mr. Vandergelts Hausboot speisen.«
Ich blickte zu Cyrus hinüber, um mich seiner Zustimmung zu versichern. Da er immer noch mit dem Problem kämpfte, den Tee mit der linken Hand zu trinken, nickte er nur kurz.
»Wir sollten besser darauf verzichten, glaube ich«, sagte Vincey. »Sie sind sehr freundlich und haben Sinn für Gerechtigkeit, Mrs. Emerson, doch in meiner Gegenwart würden Sie sich zur Zeit nicht unbefangen fühlen; sicherlich würde sie zu viele schmerzliche Erinnerungen in Ihnen wachrufen. Wir werden die Nacht in Minia verbringen und uns morgen wieder auf den Weg machen. Karl muß zurück zur Ausgrabung; er hat meinen Angelegenheiten bereits zuviel Zeit gewidmet. Was mich betrifft, so stehe ich Ihnen jederzeit und für jeden Zweck zur Verfügung.«
»Wo kann ich Sie finden?«
»In meiner Wohnung in Kairo; ich werde mich mit demselben Problem beschäftigen wie Sie.« Seine
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