Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
treten würde. Offenbar konnte man ihm in dieser Hinsicht genausowenig glauben wie in jeder anderen. Ich hätte eigentlich nicht überrascht oder enttäuscht sein sollen. Doch ich war es.
Kreisrund hing die Sonne, eingehüllt in den aufsteigenden Abenddunst, über dem Fluß, als wir uns auf den Rückweg zum Hausboot machten. Emerson hatte die Männer gnadenlos angetrieben und auch sich selbst nicht geschont – und mich am allerwenigsten. Ich war so steif und verkrampft von der Arbeit in der Hocke, daß ich gerne Cyrus’ Einladung folgte und mich bei ihm unterhakte. René hatte Bertha den Arm geboten. Ich betrachtete dieses seltsam ungleiche Paar – den schlanken, eleganten jungen Mann und das wandelnde, formlose Stoffbündel neben ihm – und sagte nachdenklich: »Ich habe noch nie zu den Leuten gehört, die sich in romantische Verbindungen einmischen, Cyrus, aber dieses Verhältnis kann ich nicht gutheißen. Seine Absichten können nicht ernsthafter Natur sein – im Sinne einer Heirat, meine ich.«
»Das will ich auch hoffen!« rief Cyrus aus. »Seine Mutter gehört dem französischen Adel an. Die alte Dame würde einen Anfall bekommen, wenn er so eine geknickte Blume mit nach Hause brächte.«
»Bitte erzählen Sie Emerson nichts davon. Er ist gegen die Aristokratie ebenso voreingenommen wie gegen junge Liebespaare. Wie dem auch sei, Cyrus, jedenfalls kann ich eine uneheliche Verbindung nicht billigen, das Mädchen wäre die Leidtragende.«
»Vermutlich haben Sie ihr Zukunft bereits genau geplant«, sagte Cyrus, wobei seine Mundwinkel zuckten. »Werden Sie ihr dabei ein Mitspracherecht einräumen?«
»Ihr Sinn für Humor ist erfrischend, mein lieber Cyrus. Ich hatte noch nicht die Zeit, die Sache ernsthaft zu durchdenken. Zuerst werde ich herausfinden müssen, über welche Talente sie verfügt und wie man sie am besten einsetzen kann. Allerdings werde ich bestimmt nicht zulassen, daß sie ihr früheres Leben wieder aufnehmen muß, das von Demütigungen und Mißhandlungen geprägt ist. Eine rechtschaffene Ehe oder ein achtbarer Beruf – was hat eine Frau sonst für eine Wahl, wenn sie überhaupt wählen kann?«
Cyrus griff sich ans Kinn. Da er dort keinen Spitzbart fand, über den er hätte streichen können, wie er es für gewöhnlich tat, wenn er verblüfft oder beunruhigt war, rieb er sich das Kinn. »Ich glaube, Sie können das besser beurteilen als ich«, erwiderte er.
»Das glaube ich auch«, sagte ich lachend. »Ich weiß, was Sie denken, Cyrus. Ich bin eine verheiratete Frau und kein unerfahrenes Mädchen. Doch Sie liegen falsch. Männer glauben immer das, was sie glauben wollen, und einer ihrer schlimmsten Irrtümer betrifft die … äh … die …« Während ich überlegte, wie ich diese heikle Sache am besten ausdrücken sollte (und es gibt dafür wirklich keine taktvollen Worte), sah ich, wie die schwarzgewandete Gestalt Berthas sich enger an René schmiegte und wie sie ihm den Kopf zuwandte. Mir stockte der Atem.
»Keine Sorge, meine Liebe, ich weiß schon, was Sie meinen«, sage Cyrus lächelnd.
Ich hatte jedoch nicht aus Verlegenheit den Faden verloren. Die geschmeidige, wiegende Bewegung des Mädchens hatte in mir eine lang vergessene Erinnerung wachgerufen. Ich hatte eine Frau gekannt, deren Bewegungen von schlangengleicher Eleganz waren. Ihr Name stand auf der Liste, die ich Sir Evelyn Baring gesandt hatte.
*
Der Bürgermeister erwartete mich bereits, als Cyrus und ich auf dem Dorfplatz ankamen. Noch ehe er ein Wort sagte, wußte ich aus seinem mürrischen Gesichtsausdruck, welche Neuigkeiten er zu überbringen hatte.
»Noch keine Spur von Mohammed?« fragte ich. »Er ist nicht ins Dorf zurückgekehrt, Sitt, und ein paar Männer haben den ganzen Tag die Klippen abgesucht. Hassan ibn Mahmud meint, er sei wieder fortgelaufen.«
»Ich würde gern mit Hassan sprechen.« Ich versüßte meine Bitte mit ein paar Münzen und fügte hinzu: »Wenn Hassan sofort erscheint, bekommt er dasselbe.«
Augenblicklich war Hassan zur Stelle. Er hatte, hinter einer Mauer versteckt, alles beobachtet. Hassan gab offen zu, daß er zu den Männern gehörte, die Mohammed gebeten hatte, ihn zu begleiten. »Aber ich würde so etwas nie tun, verehrte Sitt«, rief er und riß dabei seine Augen auf, so weit er konnte. Das war nicht sehr überzeugend; wie bei vielen Ägyptern waren Hassans Augenlider durch immer wiederkehrende Entzündungen gerötet, und auch der Rest seines Gesichts machte nicht eben einen
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