Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
»Halten Sie noch ein wenig durch, meine Liebe«, sagte er. »Wir sind fast zu Hause.«
    Ich blickte mich um. Zu meiner Rechten stand das Dorf El Til unter Palmen. Eine leichte Brise vom Fluß her trug den Geruch von Kochfeuern zu uns herüber. Die kreisrunde, glänzende Sonne hing tief über den Felsen im Westen; Echnatons Gott, der lebendige Aton, machte sich bereit, die Welt der Dunkelheit und dem Todesschlaf zu überantworten. Aber er würde sich wieder erheben, wie er sich schon tausende Male erhoben hatte, um aller Welt Leben einzuhauchen und jede Kreatur zu wecken, damit sie seine Ankunft pries.
    Ich neige häufig zu poetischen Empfindungen. Allerdings wäre mir lieber gewesen, sie hätten mich nicht gerade in jenem Augenblick überkommen, denn sie kosteten mich einige wertvolle Sekunden.
    Stumm wie eine Statue ritt Bertha neben mir her. Die Esel hatten die müden Männer überholt. Ich sah, daß sie uns in einer zerlumpten Prozession folgten, an deren Ende sich Kevin voranschleppte. Sein feuerrotes Haar leuchtete in den Strahlen der untergehenden Sonne. Charlie marschierte neben ihm, wobei er seinen Schritt dem seines Freundes René anpaßte, der mühsam weiterhinkte …
    Ich riß Cyrus die Zügel aus der Hand und brachte den armen Esel zu einem plötzlichen Stillstand. »Wo ist er?« rief ich aus. »Wo ist Emerson?«
    »Er wird schon nachkommen«, antwortete Cyrus. »Er ist dicht hinter uns. Abdullah und er sind stehengeblieben, um …«
    »Abdullah sehe ich auch nicht. Auch nicht Ihre beiden Wachmänner, noch den Kater!« Die schreckliche Wahrheit traf mich wie ein Blitzschlag. »Verdammt, Cyrus!« schrie ich. »Wie konnten Sie es wagen? Das werde ich Ihnen nie verzeihen!«
    Ich bedauerte es sehr, ihn niederschlagen zu müssen, aber sonst wäre ich ihn nie losgeworden. Er versuchte, mir die Zügel aus der Hand zu reißen, als ihn mein Sonnenschirm am Arm traf. Im Bemühen, einem zweiten Schlag auszuweichen, stolperte er über seine eigenen Füße und stürzte. Ich stieß dem Esel die Fersen in die Flanken.
    Ich glaube, es war mein Schmerzensschrei, der den Esel zu raschem Trab antrieb. Ich hatte vergessen, daß ich an meinem verletzten Fuß nur einen Pantoffel trug. Da mich niemand außer dem Esel hören konnte, gestatte ich mir den Gebrauch einiger Ausdrücke, die ich von Emerson gelernt hatte. Sie halfen mir zwar, meinen Gefühlen ein wenig Luft zu machen, allerdings nicht allzu sehr.
    Sie hatten sich alle gegen mich verschworen – Cyrus, Abdullah und natürlich Emerson. Es war ein schwacher Trost, daß es dreier Menschen bedurft hatte, um mich zu überlisten. Wie lange hatten sie es geplant? Mindestens seit dem gestrigen Abend. Die heutige Expedition war nur dazu gedacht gewesen, um mich abzulenken und zu ermüden, damit meine Wachsamkeit am Ende des langen und anstrengenden Tages nachließ. Ich knirschte mit den Zähnen. Was für ein gemeiner, unsportlicher Trick!
    Ich habe noch nie ein Tier geschlagen, und ich tat es auch bei diese Gelegenheit nicht. Der Klang meiner Stimme, die »Yalla! Yalla!« rief, war Ansporn genug. Mit zurückgelegten Ohren stürmte der kleine Esel in einer Geschwindigkeit voran, die er bislang wahrscheinlich noch nie erreicht hatte. Wie alle Esel bei meinen Expeditionen war er seit meiner Ankunft gut versorgt worden, und nun trug meine Pflege erste Früchte, wie es schon die Bibel versichert.
    Während des Ritts hielt ich angestrengt Ausschau und hoffte, zwischen den Hügeln eine Gestalt zu entdecken, die sich bewegte. Ich sah nichts; das unebene Gelände bot eine Unmenge an Verstecken, und Emersons staubige Kleider würden vor den bleichen Felsen kaum auszumachen sein. Ich war mir sicher, daß er diesen Weg eingeschlagen hatte. Als die anderen Rast gemacht hatten und danach auf der königlichen Straße nach Süden gegangen waren, hatte er den Felsvorsprung umrundet. Was sein letztendliches Ziel betraf, konnte ich nur raten, aber seine Absicht war mir so klar, als ob er sie laut und deutlich verkündet hätte. Er hatte, unbemerkt von mir, eine Begegnung mit unserem Todfeind arrangiert.
    Ich hoffte, ihm den Weg abzuschneiden, ehe er sein Ziel erreichte. Die Esel waren sehr langsam dahingetrabt. Selbst auf unebenem Boden kam Emerson wahrscheinlich ebenso schnell voran wie sie. Wenn ich die Ebene durchquerte, würden sich unsere Pfade kreuzen – nicht an dem Punkt, wo er sich augenblicklich befand, sondern an einer Stelle, an der er sich zu einem späteren Zeitpunkt befinden

Weitere Kostenlose Bücher