Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
sich wieder einmal wie ein typischer Mann aufführen. Ich lasse ihm diese kleine Freude, solange es nicht nötig ist, ihm den Kopf zurechtzurücken – und das war im Augenblick überflüssig. Also antwortete ich gehorsam: »Ja, mein Liebling« und wurde dafür mit einem freundlichen Lächeln belohnt.
Kevin besaß nicht einmal den Anstand, so zu tun, als hätte er nicht herumgeschnüffelt. Als ich in den Salon kam, erhob er sich von meinem Schreibtisch und sprudelte los wie ein Wasserfall: »Was für ein hübsches Kleid, Mrs. Emerson. Wie immer sind Sie ein reizender Anblick. Ist das Ihre augenblickliche Übersetzung aus dem Ägyptischen? Wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten, fehlt ihr der Charme Ihrer früheren Werke. Was bedeutet die Sache mit dem Nilpferdbecken?«
»Sie werden auf die Veröffentlichung der Geschichte warten müssen«, entgegnete ich.
Kevin neigte den Kopf zur Seite und schenkte mir sein koboldhaftes Lächeln. »Ach, wirklich?« fuhr er mit noch breiterem Akzent fort. »Und das, obwohl ich schon seit Jahren zu Ihren Freunden und Bewunderern zähle? Mir ist nicht entgangen, daß einige Ihrer bisherigen Übersetzungen eigenartige Parallelen zu den Abenteuern aufwiesen, die Sie zur fraglichen Zeit bestehen mußten. Ihr fein entwickeltes Gespür für das Verbrechen erscheint mir fast übernatürlich. Was führen Sie diesmal im Schilde, Mrs. Emerson? Und wo kommen dabei Nilpferde ins Spiel?«
»Aber Kevin, Sie werden doch nicht allen Ernstes annehmen, daß ich mich von Ihren dick aufgetragenen Schmeicheleien und Ihren neugierigen Fragen einwickeln lasse! Ich führe überhaupt nichts im Schilde, und außerdem gibt es in Ägypten keine Nilpferde mehr.«
Dank meiner Fähigkeit im Ausweichen gab ihm meine Antwort keinen Hinweis darauf, wie sehr mich seine scheinbar unschuldige Frage beunruhigt hatte. Er hatte recht. Mindestens zweimal hatte es zwischen dem Märchen, das ich gerade übersetzte, und den tatsächlichen Ereignissen beängstigende Übereinstimmungen gegeben. Würde das diesmal wieder der Fall sein? Und wenn ja, welche Bedeutung hatten dann die verflixten Nilpferde?
Ich begleitete ihn zum Oberdeck, und auch die anderen fanden sich bald ein – alle mit Ausnahme von Emerson, der unten lauerte, um Sir Edward und Miss Marmaduke abzufangen. Als sie endlich auftauchten, war es schon dunkel. Sir Edward trug wie befohlen einen gut geschnittenen Tweedanzug und seine Regimentskrawatte. Gertrudes Frisur war in Auflösung begriffen – offenbar hatte sie meinen Vorschlag mißachtet, sich während der Überfahrt ein Tuch um den Kopf zu binden –, und sie fummelte ständig daran herum Sie wirkte noch verschüchterter als sonst; ich fragte mich, was Emerson wohl zu ihr gesagt haben mochte.
Beim Anblick einer Dame sprang O’Connell sofort auf und erging sich in weitschweifigen Komplimenten. Als ich zusah, wie er sie zu einem Stuhl führte, hoffte ich, sie würde daraus nicht auf ein weiterführendes Interesse an ihrer Person schließen. Obwohl ihr die Eigenschaften fehlten, die Männer anziehend finden, braucht Kevin einfach immer eine Frau, der er den Hof machen kann. Vermutlich liegt das daran, daß er Ire ist.
Wir dachten an Emersons Warnung und bemühten uns nicht über das Grab zu sprechen, was allerdings recht schwierig war, da dieses Thema uns alle bewegte. Sir Edward fing damit an – oder vielleicht war ja auch Nefret die Schuldige. Sie hatte noch kaum Gelegenheit gehabt, ihren Charme auf ihn wirken zu lassen, da er ihr tunlichst aus dem Weg ging; doch an jenem Abend wagte er es, neben ihr auf dem Sofa Platz zu nehmen, da O’Connell Miss Marmaduke umschmeichelte, Emerson mit Walter über das Berliner Wörterbuch debattierte und Evelyn mit Ramses beschäftigt war. »Dann glauben Sie also, daß Ihre neue Kamera der Aufgabe gewachsen ist«, hörte ich sie sagen, als für einen Moment ein wenig Stille eingekehrt war.
Kevin fuhr herum wie von der Tarantel gestochen, und Edward sah Emerson mit fragend hochgezogener Augenbraue an. Nachdem dieser ihm mit einem Achselzucken und einem Nicken die Erlaubnis gegeben hatte zu antworten, wandte er sich wieder Nefret zu und sagte: »Es bedarf zwar einer langen Belichtungszeit, aber der Film, den Kodak im letzten Jahr auf den Markt gebracht hat, hat mich bis jetzt noch nie enttäuscht.«
»Dann wollen Sie also morgen das Innere des Grabes photographieren?« fragte Kevin schamlos.
Emerson bedachte ihn mit einem finsteren Blick. »Ja. Soviel dürfen Sie
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