Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
nichtsnutzigen Journalisten verscheuchen. Wo ist er?«
»Wahrscheinlich spielt er Verstecken mit den anderen nichtsnutzigen Journalisten«, antwortete ich. Ich wollte Kevin auch aus anderen Gründen hierhaben, aber es war zwecklos, sie Emerson gegenüber zu erwähnen. Er wäre nur wütend geworden.
Wir gesellten uns zu den anderen, die in verschiedenen Stadien der Erschöpfung auf ihren Stühlen saßen oder auf dem Boden lagen. Ramses sah als einziger nicht viel anders aus als sonst. Er war unbeschreiblich schmutzig (für ihn nicht weiter außergewöhnlich), und die feuchten, schwarzen Locken ringelten sich eng um seinen Kopf. Nefret hatte die beiden obersten Knöpfe ihrer Bluse geöffnet und die Ärmel hochgekrempelt. Obwohl ich ihr nicht verübeln konnte, daß sie es sich unter den widrigen Umständen so bequem wie möglich machen wollte, war die Wirkung doch der allgemeinen Moral abträglich. Cyrus schaute ständig in ihre Richtung, und Sir Edward, der anmutig zu ihren Füßen lagerte, konnte kaum die Augen von ihr abwenden.
Emerson griff nach einem belegten Brot. »Hast du schon mit Carter gesprochen?« wollte er von mir wissen. »Verflixt, ich wußte doch, daß ich etwas vergessen habe. Ich hatte soviel um die Ohren …«
»Was denn?« fragte Emerson. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
Ich lasse mich von Emerson grundsätzlich nicht in die Enge treiben. »Nun – ich war heute vormittag schon im Tal, in Luxor und wieder zurück. Howard suche ich gleich nach dem Mittagessen auf. Es kann eine Zeit dauern, bis ich ihn gefunden habe.«
»Wahrscheinlich gräbt er den Schacht neben dem Damm aus«, grunzte Emerson. »Zeitverschwendung. Er wird dort nichts Interessantes finden. Ich brauche eines seiner Tore. Sag ihm, er soll es sofort herschaffen. Ich möchte, daß es noch heute hier angebracht wird, bevor ich nach Hause gehe.«
»Aha«, sagte ich, ohne mich zu Emersons herrischen Forderungen zu äußern. »Also hast du vor, heute abend zur Amelia z urückzukehren?«
Der Kampf, der im Herzen meines Gatten tobte, war ein mitleiderregendes Schauspiel. Ohne die Sorgen, die ihn bewegten, hätte er wohl sein Lager an Ort und Stelle aufgeschlagen, bis das Grab ausgeräumt war – ganz gleich, wie lange es dauerte. Allerdings war er sich, ebenso wie ich, dieser Sorgen nur zu sehr bewußt, und die Liebe siegte über das Archäologenfieber.
»Ja«, antwortete er barsch. »Also mach dich an die Arbeit, Peabody.«
Walter räusperte sich. »Äh … Radcliffe … du hast bereits mit Mr. Carter gesprochen. Er war heute morgen hier. Hast du das vergessen?«
»Was?« Emerson starrte ihn an. »Oh. Oh, ja, richtig. Ich habe versucht, die verdammte Kammer in Quadrate einzuteilen, ohne etwas zu beschädigen … Schon gut, Peabody. Sir Edward, was lungern Sie noch hier herum? Ich will, daß die Photographien fertig werden.«
Da es unmöglich war, ihn zurückzuhalten, versuchte ich es gar nicht erst. Walter und Nefret folgten ihm. Doch Ramses, der im Schneidersitz neben David auf einer Matte kauerte, rührte sich nicht. Ich blickte ihn fragend an.
»Wir sind eigentlich überflüssig«, sagte er. »Alle außer Nefret und« – ein Zucken, das jeder bis auf mich wohl übersehen hätte, huschte über sein Gesicht – »und Sir Edward.«
»Du hast heute vormittag nur zugesehen?« fragte ich. Zusehen war nicht Ramses’ Stärke.
»Die Faszination dieses Grabes und das Procedere …« Nach einem Blick auf David hielt Ramses inne und fing noch einmal von vorne an. »Es ist sehr interessant. Ich lerne etwas, indem ich Vater zusehe. Aber im Moment habe ich das Gefühl, es wäre nützlicher für mich, wenn ich mit dir spreche, Mutter. Ich möchte gern wissen, wie deine detektivischen … ach, verflixt … was du über unsere Feinde herausgefunden hast.«
»Ich habe keine detektivischen …« Ich hätte schwören können, daß Davids schwarze Augen angesichts meiner Pause belustigt funkelten. Also fuhr ich etwas steif fort: »Ich habe heute morgen nichts weiter getan, als Mr. Vandergelt und Mr. O’Connell einen Besuch abzustatten und Monsieur Maspero ein Telegramm zu schicken.«
»Aha«, sagte Ramses. »Du hast dich nicht in den Hotels nach Signor Riccetti erkundigt?«
»Ich hatte keine Zeit.« Ich zögerte, denn mein Instinkt warnte mich davor, Ramses meine sämtlichen Absichten zu offenbaren. Allerdings überzeugte mich der Anblick eines herannahenden Mannes, der seinen Esel zur Höchstleistung antrieb, daß es
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