Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
herumlief. Als er fertig war, machten wir uns auf den Weg in den Salon.
»Und bitte fall deinem Vater nicht ständig ins Wort, Ramses«, sagte ich. »Er liebt dich wirklich sehr, aber mit dieser Angewohnheit würdest du auch den geduldigsten Menschen auf die Palme bringen.«
»Ja, Mutter«, entgegnete Ramses.
Emerson hatte die Stühle im Halbkreis um den Tisch herum aufgebaut, den er zum Schreiben benutzte. Er thronte dahinter und versuchte, würdig auszusehen, was ihm jedoch nicht gelang, weil Nefret auf der Armlehne seines Stuhles kauerte. Nachdem wir uns gesetzt hatten, räusperte sich Emerson und fing an:
»Wir werden in dieser Saison im westlichen Theben arbeiten, und zwar im Friedhof der Siebzehnten Dynastie. Ich rechne sehr stark damit, ein Königsgrab zu entdecken – das der Königin Tetischeri.«
»Aber Emerson!« rief ich aus. »Du hast doch gesagt …«
Emerson warf mir einen tadelnden Blick zu. »Wenn ich bitte fortfahren dürfte, Peabody.«
»Entschuldige, aber du hast gesagt …«
»Der Ring und Saleh – Shelmadine … Warum haben so viele der Menschen, denen wir begegnen, mehrere Namen? Der Ring und Shelmadines Phantasiegeschichte haben mich jedenfalls nicht zu dieser Entscheidung veranlaßt, denn diese war bereits vor unserer Ankunft in Kairo gefallen.
Wie ihr alle wißt, beginnt der dritte Band meiner Geschichte Ägyptens , an dem ich zur Zeit arbeite, mit den Herrschern der Siebzehnten Dynastie. Über diese verwirrende Epoche ist nur sehr wenig bekannt. Vor einer Weile schon ist mir klargeworden, daß ich weitere Ausgrabungen in dieser Gegend durchführen muß, ehe ich eine zusammenhängende Schilderung verfassen kann.
In diesem Beschluß wurde ich im letzten Frühjahr bestärkt, als wir vor unserer Rückkehr nach England einige Wochen in Abydos verbrachten. Obwohl unsere Arbeiten immer wieder durch Ereignisse, die ich euch nicht berichten muß, da ihr sie alle kennt, denn Nefret war zwar nicht dabei, hat die Einzelheiten aber gewiß von Gargery erfahren, und ihr beide …« * Er hielt inne, da er den roten Faden seines Satzes verloren hatte, und fing noch einmal von vorne an. »Trotz all dieser Vorfälle entdeckten wir einen Schrein mit einer Stele, auf der Königin Tetischeri erwähnt wird.«
»Ein bemerkenswerter Fund«, sagte Ramses. An Nefret gewandt, erklärte er: »Abydos war die heiligste Stadt in Ägypten, die Grabstätte des Gottes Osiris. Häufig wurde den Verstorbenen in Abydos ein Gedenkstein errichtet, auch wenn der so Geehrte anderswo beerdigt war. Eben das war auch bei Tetischeri der Fall. Die Inschrift auf der Stele, die wir entdeckten, beschreibt, wie ihr Enkel, König Ahmose, ihr einen Schrein in Abydos erbaute. Meiner Übersetzung des Textes auf der Stele zufolge …«
»Ich habe hier«, unterbrach Emerson, »eine Übersetzung des Textes von deinem Onkel Walter. Hoffentlich zweifelst du nicht an seinen Fachkenntnissen. Danke. Er wird sich freuen, daß du seine Arbeit zu schätzen weißt. Wie ihr alle bestimmt wißt, hat die Stele in Archäologenkreisen einiges Aufsehen erregt. Viele Menschen haben davon gehört, und manche haben meine Entscheidung möglicherweise vorausgesehen …«
»Du willst in diesem Jahr nach Abydos zurückkehren?« fragte ich. Ich glaube, daß weder meine Stimme noch mein Gesichtsausdruck verrieten, wie enttäuscht ich war. Ich kann dieser Ausgrabungsstätte nicht viel abgewinnen. Die Pyramiden dort sind nicht der Rede wert.
»Nein«, sagte Emerson. »Der Inschrift ist klar zu entnehmen, daß Tetischeri ursprünglich in Theben beigesetzt wurde. Und ein merkwürdiger Zufall will, daß Drah Abu’l Naga, das unser Besucher erwähnt hat, genau die Stelle ist, wo man ein Grab aus jener Zeit am ehesten vermuten würde.«
»Ganz richtig«, stimmte Ramses zu. »Wir finden die Bestätigung im Abbot-Papyrus und in der Entdeckung der Särge durch Mariette in …«
Eine halbe Stunde später hatten wir uns alle um den Tisch geschart, studierten Papiere, Karten und Photographien und unterhielten uns angeregt.
Das heißt, alle außer Emerson. Die Hände auf dem Rücken, sah er aus dem Fenster und summte leise vor sich hin.
Summte er wirklich?
»Emerson«, sagte ich bang.
Als er sich umdrehte, lag ein gütiges Lächeln auf seinem Gesicht. »Ja, mein Liebling? Brauchst du meine Hilfe?«
Dieser letzte Satz enthielt eindeutig eine Spitze. »Ich wollte nur sagen, mein Lieber«, meinte ich rasch, »daß dies hier alles übersteigt, was du bislang
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