Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Ruhe. Hier sieht es ja aus wie bei einer … Orgie!«
Nur David wich vor Emersons loderndem Blick und den zusammengezogenen Brauen zurück. Selim sah ihn bewundernd an, und ich sagte: »Komm und zieh dich um, Liebling, und dann trinken wir alle Tee. Der Arzt hat gesagt, Ramses darf heute abend für kurze Zeit aufstehen, wenn er sich vorsieht.«
Ein wenig verlegen nahm Emerson einen Keks von dem Teller, den Nefret ihm hinhielt, und ließ sich von mir aus dem Raum schieben.
»Nun?« wollte ich wissen.
»Nun was?« Emerson schloß unsere Tür und kam auf mich zu.
»Du stinkst abscheulich nach Fledermaus«, sagte ich, wobei ich ihm auswich.
»Wirklich? Wahrscheinlich hast du recht. Entschuldige, aber wie du weißt, gewöhnt man sich an den Geruch.« Er ging zum Waschbecken und fing an, diesem Mißstand Abhilfe zu schaffen. Während er sich säuberte, erzählte ich ihm, was der Arzt gesagt hatte, und auch von Davids Bemerkungen über die Statue der Tetischeri. »Das ist nicht viel mehr, als wir ohnehin schon wußten«, brummte Emerson. »Ich würde dem jungen Mann gerne ein paar Fragen stellen. Erinnerst du dich an die Statue, die wir gestern in der vorderen Kammer gefunden haben – die Nilpferdgöttin?«
»Wie hätte ich die vergessen sollen? Hast du herausgefunden, wie sie dorthin gekommen ist?«
»Ich habe hierzu ein paar Vermutungen. Doch ich konnte ihnen noch nicht nachgehen. Es war ein verflixt ergebnisloser … Wo zum Teufel sind meine sauberen Hemden?«
Wie immer befanden sie sich in der obersten Kommoden-Schublade. Ich holte eines heraus, und als er sich umdrehte, um es entgegenzunehmen, schnappte ich vor Schreck nach Luft.
»Sagtest du ergebnislos? Was ist geschehen?«
»Sehr wenig. Wie ich schon … Ach, das meinst du.« Er warf einen Blick auf den dunkel verfärbten Bluterguß, der seine Brust zierte. »Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muß liebe Peabody, aber niemand hat versucht, mich zu ermorden. Es war ein schlichter Unfall, den ich hauptsächlich meiner eigenen Ungeschicklichkeit zu verdanken habe. Ich stand auf der Strickleiter und hämmerte an dem Felssims genau unterhalb des Eingangs herum …«
»Um Himmels willen, Emerson! Warum mußt du solch unnötige Risiken eingehen?«
»Es war nicht unnötig.« Er schob meine Hand weg und knöpfte sein Hemd zu. »Wie du weißt, ist der Eingang sehr eng. Abgesehen davon, daß dies für uns sehr unbequem ist, paßt kein größerer Gegenstand, nicht einmal ein Korb, durch diese Spalte. Also mußte sie verbreitert werden; der verdammte Hammer ist abgeprallt, mehr nicht.«
Noch ehe ich antworten konnte, war er schon draußen. Ich folgte ihm in Ramses’ Kabine.
»Warum trinken wir den Tee nicht hier?« fragte Emerson. »Ramses scheint es sich bequem gemacht zu haben.«
»Zu bequem«, erwiderte ich und betrachtete mißbilligend die Szene, die mehr denn je einer Orgie ähnelte. Nefret saß auf der Bettkante. Selim beäugte hungrig die Kekse, die er nach den Regeln des Ramadan nicht essen durfte, und Bastets Kopf steckte in der Schüssel mit der Hühnersuppe.
Anubis saß auf dem Fensterbrett, beobachtete Bastet und leckte sich die Schnurrhaare.
»Er muß sowieso aufstehen«, fuhr ich fort, »denn ich muß das Bett machen und die verschiedenen Essensreste daraus entfernen. Außerdem wäre es unhöflich, Gertrude auszuschließen.«
»Hmpf«, brummte Emerson. »Wenn du meinst. Aber zuerst …« Auf arabisch wandte er sich an David, der am Fußende des Bettes saß: »Hamed hat mir gesagt, daß der Mann, der letzte Nacht hier war, dem Mädchen nichts antun sollte. Er sei hier gewesen, um dich zu holen, weil Hamed dich gekauft habe.«
»Er lügt.« Doch der Junge wich Emersons Blick aus.
»Nach dem englischen Gesetz kann man Menschen nicht kaufen und verkaufen«, stimmte Emerson zu. »Aber es gibt alte Gesetze, die für viele noch Gültigkeit haben. Hamed hat keinen Anspruch auf dich, außer wenn du glaubst, daß er einen hat. Glaubst du das?«
Der letzte Satz klang wie ein Peitschenhieb. Der Junge zuckte zusammen und ich auch. Warum war ich nicht schon früher darauf gekommen? Es gibt eine Art Loyalität in der Sklaverei – diejenigen, für die sie Gültigkeit hat, sträuben sich vielleicht innerlich dagegen, erkennen sie aber dennoch an. Und sie kann wichtiger sein als alle anderen Verpflichtungen.
»Vater«, fing Ramses an.
»Sei still, Ramses. Nun, David?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, Vater der Flüche. Ich schwöre bei
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