Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Sitt Miriam, bei ihrem Sohn, bei den Heiligen …«
»Schon gut«, sagte Emerson. »Ich glaube dir. Hast du für Hamed jemals eine Statue der Nilpferdgöttin angefertigt?«
Emerson bemerkte nicht, daß er den Jungen unter Druck setzte, denn er hätte es nie übers Herz gebracht, grausam zu einem Kind zu sein. Allerdings überforderte die barsche Frage diesen Jungen, der an Schläge und Beschimpfungen gewöhnt war und Vertrauen erst noch lernen mußte. David senkte den Blick, und seine gemurmelte Antwort war kaum zu verstehen.
» Aywa . Ich wußte nicht …«
»Hör auf, das Kind zu quälen, Emerson«, unterbrach ich.
»Quälen?« Entrüstet wirbelte Emerson herum. »Zum Teufel, Peabody, traust du mir so etwas zu?«
Auch David wußte meine Einmischung nicht zu schätzen. Er sah mich ärgerlich an, richtete sich zu voller Größe auf und sprach wie ein Mann.
»Ich habe zwei gemacht. Taueret, die Göttin der Geburt. Es waren gute Arbeiten.«
»Richtig.« Emerson griff nach seiner Pfeife. »Ich habe sie mir heute nachmittag genau angesehen. Weißt du, wie die Statue ins Grab gekommen ist, David?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Woher sollte er das wissen?« wandte ich ein. »Er war hier und zu krank, um sich zu rühren, als das Ding ins Grab geschafft wurde. Emerson, rauch die Pfeife bitte nicht hier drin. Nimm sie und Ramses mit an Deck. Der Tee ist gleich fertig.«
Ramses bestand darauf, daß er gehen konnte – was stimmte –, doch da Emerson fest dazu entschlossen war, machte er gute Miene zum bösen Spiel und ließ sich tragen. Außerdem mußte er sich der Aufmerksamkeiten Nefrets erwehren, die ihn am liebsten von Kopf bis Fuß in Decken gehüllt hätte.
Auch Gertrude zeigte sich mitfühlend. Doch nachdem sie ihre Anteilnahme in angemessenen Worten geäußert hatte, wandte sie sich Nefret zu. Ich zweifelte nicht daran, daß sie sich wirklich um sie sorgte. Aber es war überflüssig und ging Nefret auf die Nerven, weshalb ich gezwungen war, Gertrude zu unterbrechen, da man meiner Adoptivtochter ihren Unwillen deutlich anmerkte.
»Nehmen Sie doch noch ein Kanapee, Gertrude, während uns der Professor von dem Grab erzählt. Wir hatten noch keine Gelegenheit, über die heutigen Arbeiten zu sprechen.«
Emerson gab zu, daß er keine großen Fortschritte zu vermelden hatte. »Ich habe beschlossen, Ramses’ Rat zu folgen und den unteren Gang zu erweitern«, erklärte er. »Die Gefahr eines Steinschlags ist zu groß. Und da wir keinen Sprengstoff benutzen können, wird es einige Zeit in Anspruch nehmen.«
Ramses verlieh seiner Freude darüber Ausdruck und meinte, er werde wieder »antreten«, wie er es formulierte, wenn die eigentlichen Arbeiten an dem Grab begannen. »Aber«, fuhr er fort, ohne uns Zeit für einen Einwand zu geben, »am meisten interessiert mich die Statue, die du erwähnt hast, Vater. Zielten deine Fragen darauf ab, daß sie sich nicht im Grab befand, als Mutter und du die Diebe … äh … überraschten? Möglicherweise habt ihr sie nur übersehen, da ihr um euer Leben fürchten mußtet. Die Alternative wäre, wie ich wohl kaum betonen muß …«
»Du redest zuviel, Ramses«, unterbrach Nefret. »Das tut dir in deinem Zustand bestimmt nicht gut.«
»Ganz richtig«, sagte ich. »Ich versichere dir, daß die Statue beim erstenmal noch nicht da war. Ich hätte sie unmöglich übersehen können. Allerdings weiß ich auch nicht, wie sie in das Grab gebracht wurde, solange unsere Männer draußen Wache standen. Außer …«
»Ich flehe dich an«, sagte Emerson und biß auf seinen Pfeifenstiel, »laß diese Vermutungen, Amelia.«
»… außer es gibt noch einen weiteren Weg in das Grab. Einen Geheimgang.«
»Unsinn, Amelia.«
»Wie kannst du so sicher sein? Wir haben die vordere Kammer noch nicht freigelegt. Möglicherweise ist der Eingang unter dem Schutt verborgen.«
»Weil … Ach, warum sollte ich mir in einem solchen Gespräch die Mühe machen, vernünftige Einwände vorzubringen? Das verdammte Ding stammt aus Hameds Werkstatt, doch warum und wann es ins Grab geschafft wurde, können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erklären. Ich weigere mich, dieses Thema weiter zu erörtern.«
Emerson warf seine Pfeife in den Aschenbecher, wobei sich die Asche auf die übriggebliebenen Kanapees verteilte, und griff nach den Papieren und Umschlägen, die auf der Bank neben uns lagen. »Ist das die letzte Post? Etwas Interessantes dabei?«
»Bei meinen Briefen nicht. Mehr kann ich dazu
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