Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
die im Britischen Museum stand. Anscheinend waren sie identisch. Nefret wies mich darauf hin, daß sogar der Bruch in der Inschrift auf dem Sockel genau kopiert worden war.
Ich gab ihr meine Übersetzung des »Nilpferdbeckens« zu lesen und widmete mich wieder meinen Aufgaben. Die Hausfrauenpflichten – das Ordern der Mahlzeiten, die Überprüfung der Vorräte und das Säubern der Pferde – nahmen einige Stunden in Anspruch. Es war schon fast Teezeit, als ich in Ramses’ Kabine zurückkehrte. Wie ich erwartet hatte, war Nefret an sein Bett zurückgekehrt, da sie das offenbar für ihre Pflicht hielt. Allerdings war die Stimmung überraschend harmonisch. Selim hatte sich friedlich schlafend auf einer Matte zusammengerollt. Bastet, die Katze, lag quer über dem Fußende des Bettes, und Ramses ruhte in den Kissen wie ein junger Sultan und betrachtete die Tetischeri-Statue. Neben ihm befanden sich die Photographien des Originals. Offenbar hatten die beiden sie miteinander verglichen.
»Ich habe Ramses und David alles erzählt«, sagte Nefret. »Du hast gesagt, daß ich das darf«, fügte sie rasch hinzu.
Ich hatte ihr nicht erlaubt, es David zu erzählen. Doch es gab keinen vernünftigen Grund, der dagegen sprach. Auf eine Geste von Ramses hin holte der Junge einen Stuhl, und ich setzte mich.
»Hast du das gemacht, David?« fragte ich.
»Nein, Ma’am.«
Wahrscheinlich erteilten ihm Ramses und/oder Nefret außer den Englischstunden auch noch Benimmunterricht – der Himmel weiß, was sie ihm sonst noch beibrachten. Doch im Augenblick reichte sein englisches Vokabular noch nicht aus. Nach einigen Versuchen gab er auf und verfiel in ein aufgeregtes Arabisch. »Eine so kunstvolle Arbeit könnte ich nie zustande bringen, Sitt – noch nicht. Hamed hat sie vor langer Zeit, vor seiner Handverletzung, angefertigt. Er war ein Meister, und keiner konnte soviel wie er. Zwar war er nicht mehr in der Lage, es mir vorzumachen, doch er erklärte mir alles und verbesserte mich, wenn mir ein Fehler unterlief.«
»Mit einem Stock«, bemerkte ich trocken.
»So lernt man es am besten.« Nach einer Weile fügte er in einem anderen Tonfall hinzu: »Das habe ich wenigstens geglaubt.«
»Und trotzdem«, sagte Ramses, der länger als erwartet geschwiegen hatte, »habt ihr sie gefunden. Wenn Nefrets Bericht der Ereignisse stimmt …«
»Dessen bin ich mir sicher«, sagte ich rasch.
»Gewiß«, meinte Ramses ebenso rasch. »Ich wollte auf nichts anderes hinweisen als auf die unvermeidlichen Ungenauigkeiten, die sich einschleichen, wenn eine Geschichte von einem zum anderen weitererzählt wird. Ihr habt diese Statue also versteckt mit anderen Antiquitäten gefunden, die allerdings echt waren. Warum hältst du diese hier dann für eine Fälschung?«
Dabei sah er David an, nicht mich. Ich wollte schon übersetzen oder Ramses’ Bemerkung wenigstens in eine verständlichere Form bringen, als Nefret ungeduldig sagte:
»Was soll der Unsinn, Ramses? Da das Original im Britischen Museum steht, muß es sich hier um eine Kopie handeln.«
»Dann hat Hamed sie vor mehr als zehn Jahren hergestellt«, stellte Ramses fest. »Mr. Budge hat die andere 1890 erworben, wenn ich mich recht entsinne.«
David hatte mindestens den ersten Satz verstanden und nickte eifrig. »Vor vielen Jahren, ja. Er konnte viele Jahre lang nicht arbeiten. Als ich zu ihm kam, waren seine Hände verkrüppelt. Doch er war ein Meister; er hat mir alles beigebracht.«
Ohne das außergewöhnliche Talent des Jungen wäre Hamed als Lehrherr gewiß nicht so erfolgreich gewesen. Die meisten Einwohner von Luxor und den umliegenden Dörfern beschäftigen sich mit der Herstellung und dem Verkauf von Fälschungen. Wahrscheinlich war Hamed auf David gestoßen, als dieser sich gerade an einer solchen versuchte, und er hatte die Begabung des Jungen erkannt. Und wem hätte sie auffallen sollen, wenn nicht Hamed? Er war wirklich einmal ein Meister seiner Zunft gewesen. Obwohl er ungebildet und skrupellos war, konnte nur ein Sadist darauf gekommen sein, ihn zu bestrafen, indem er ihm die Möglichkeit nahm, sein Handwerk auszuüben.
Emerson war früher als erwartet zurück. Ich wußte, warum er gegen seine sonstigen Gewohnheiten verstoßen hatte, denn als er, immer noch in zerknitterter Arbeitskleidung und staubigen Stiefeln, in Ramses’ Kabine gestürmt kam, machte er seinen Gefühlen auf eine Weise Luft, die typisch für ihn war.
»Was zum Teufel tut ihr alle hier? Ramses braucht
Weitere Kostenlose Bücher