Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses
Emerson, auch wenn es für mich wieder einmal zu den unverständlichen männlichen Einstellungen zählt, die für eine Frau keinen Sinn machen. So oder so, es ist ohnehin passiert.«
»Bellingham ist ein gefährlicher Mann.«
»Ich bin derselben Meinung, Emerson.«
»Oh, bist du das?« Emerson hob seine Stimme. »Das sagst du ständig. Diesmal bestehe ich darauf, daß du mir genaustens und ohne Umschweife erklärst, was du exakt damit meinst.«
»Gerne, Emerson. Aber nicht hier. Es wird immer heißer, und dieser Fels ist ziemlich hart. Sollen wir zum Haus zurückkehren?«
Emerson rieb sein Kinn und blickte versonnen zu der Maschine, die einen solchen Krach veranstaltete, daß wir beide geschrien hatten. »Ich hatte eigentlich vor, heute nacht hierzubleiben. Das verdammte Ding hat die Angewohnheit, plötzlich aus unerklärlichen Gründen auszusetzen.«
Ich versuchte, mir etwas einfallen zu lassen, wie man die Sache drehen konnte, damit seine Eitelkeit nicht verletzt wurde.
»Gibt es nachts überhaupt Strom, Emerson? Vielleicht schalten sie ihn ab, nachdem die Touristen die Gegend verlassen haben. Seine vorrangige Funktion, glaube ich, besteht doch darin, daß die bekannteren Gräber ausgeleuchtet werden können.«
Emerson schien von dieser Idee ganz überrascht. »Du könntest recht haben, Peabody. Ich vergaß, Carter danach zu fragen. Ich werde eben nachsehen, ob ich ihn noch erwische. Oder vielleicht weiß Rais Ahmed …«
Das letzte Wort war nur noch ein Nachhall, denn er hatte sich bereits eilig in Bewegung gesetzt.
Ich ging zu Selim, der auf einem Felsen oberhalb der Stufen saß, die Beine baumeln ließ und sein Mittagessen einnahm. Die anderen Männer entfernten sich taktvoll, als ich mich neben ihn setzte.
Ohne zu zögern, beantwortete er meine Fragen. Der Generator funktionierte nur über Tag – wenn er überhaupt funktionierte. Ich sagte neugierig: »Woher weißt du denn solche Dinge, Selim?«
Er warf mir unter seinen langen Wimpern einen schiefen Seitenblick zu. »Ich wollte lernen, wie sie funktionieren, Sitt. Es ist so etwas wie ein Rätsel, zweifellos …«
»So schien es mir auch immer«, stimmte ich ihm lächelnd zu. »Aber mit diesen Rätseln weiß ich absolut nichts anzufangen. Kannst du mit der Maschine ebensogut umgehen wie der Vater der Flüche?«
»Mit Allahs Hilfe«, sagte Selim fromm, aber seine schwarzen Augen zwinkerten.
»Ja, selbstverständlich. Danke, Selim.«
Ich verließ ihn, damit er sein Mittagessen fortsetzen konnte, und suchte Emerson auf, der vom Rais erfahren hatte, daß seine geliebte Maschine tatsächlich gegen Abend die Arbeit einstellen würde, wenn das Tal für die Touristen offiziell geschlossen war. Deshalb war er ziemlich aufgebracht und nicht bereit, das verfluchte Ding zu verlassen.
»Erkläre Selim, was er tun muß, wenn sie bis zur Dämmerung ausfallen sollte«, schlug ich vor.
Emerson blickte immer noch verunsichert, deshalb übte ich Druck aus. »Was ist wichtiger, Emerson, einen Mörder dem Gericht zu überstellen oder hier herumzuspielen – beziehungsweise deine Talente als Mechaniker zu vergeuden? Abdullah sollte aus der Sonne verschwinden, und er wird nicht gehen, solange du hier bist. Wir werden ihn unter dem Vorwand mit zu uns nach Hause nehmen, daß wir die Sache dort mit ihm bereden.«
Das letzte Argument überzeugte ihn. Emerson war es ziemlich egal, ob er einen Mörder vor Gericht brachte – es sei denn, der Mörder hätte es auf einen von uns abgesehen –, aber er sorgte sich um Abdullah.
Nachdem Emerson Selim einen langen Vortrag gehalten hatte, wobei letzter vorgab, intensiv zuzuhören, ließen wir den jungen Burschen bester Laune mit zwei seiner Cousins, die ihm Gesellschaft leisteten, zurück, und wir anderen machten uns auf den Heimweg. Als wir den Hauptwadi des Tals erreichten, verlangsamte ich meine Schritte.
»Nach was hältst du Ausschau?« fragte Emerson.
»Rais Hassan hat mir erzählt, daß Mrs. Jones und die Bellinghams heute morgen in Richtung Tal unterwegs waren. Ich dachte, sie hätten uns vielleicht besuchen wollen.«
Emerson legte mir einen Arm um die Schultern und zwang mich zum weitergehen. »Sie waren da und gingen dann wieder.«
»Was? Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Weil du nicht danach gefragt hast.«
»Zum Teufel mit dir, Emerson …«
»Verzeihung, meine Liebe. Ich kann einfach nicht widerstehen, dich ein wenig zu ärgern, wenn du in eine deiner pragmatischen Stimmungen verfällst. Spar dir den
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