Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
ihm vorgeschlagenen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. An den Außenfenstern seines – beziehungsweise vormals Nefrets – und dem Zimmer seiner Eltern befanden sich mittlerweile Riegel. Man konnte sie beiseite schieben, allerdings war das mit jeder Menge Lärm verbunden. Die Tore waren verschlossen, und die glimmende Zigarettenspitze in einer Ecke deutete auf die Anwesenheit von Mustafa, Daouds zweitem Sohn, hin.
Schließlich verlosch der Lichtstrahl unter dem Fenster seiner Eltern. Er wartete noch eine Weile, bevor er seine Füße auf den Boden schwang.
Nefret war noch wach. Sie war nicht allein. Die Stimmen waren so leise, daß er ihre Worte nicht verstehen konnte. Sprach sie etwa mit dieser verfluchten Katze? Wohl kaum.
Lauschen war eine widerwärtige Angewohnheit. Aber – wie er es einmal gegenüber seiner Mutter formuliert hatte – verdammt hilfreich. Ich sollte das nicht tun, dachte er bei sich, als er sein Ohr gegen die Tür drückte.
»Du solltest es ihm erzählen, David. Alles andere wäre nicht richtig.«
»Ich weiß.« Davids Stimme war so leise, daß er ihn kaum verstand. »Ich habe es versucht, aber –«
Er war sich dessen nicht bewußt, daß er den Türgriff herunterdrückte. Die Tür schien von selbst aufzuspringen. Sie saßen nebeneinander auf dem Bett. Nefret hielt David umschlungen, und er bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen. David ließ seine Hände senken. »Ramses!«
»Entschuldigung.« Er trat einen Schritt zurück. »Ich wußte nicht, daß du hier bist.«
»Wir wollten dich gerade suchen«, sagte Nefret und sprang auf. »Komm rein, und verschließ die Tür.«
»Nein. Entschuldigt, daß ich einfach so hereingeplatzt bin. Ich werde wieder gehen.«
»Was ist denn los?« fragte Nefret. »Macht dir deine Hand Probleme?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich –«
»Mach doch endlich die verdammte Tür zu.«
Sie schloß sie statt dessen und drückte ihn in einen der umstehenden Sessel. »Ich möchte deine Hand neu verbinden. David, bring mir bitte eine Schüssel Wasser.«
Sie trennte den Verband auf und legte seine Hand in das Wasser. Es färbte sich grün, und Nefret nahm die Bandage ab. »Erstaunlich«, murmelte sie. »Das verdammte Zeug scheint tatsächlich zu wirken. Die Schwellung ist zurückgegangen.«
»Sieht ja schrecklich aus«, sagte David mitfühlend.
»Das liegt an der grünen Farbe«, erklärte Nefret.
»Sieht eher nach verfaultem Fleisch aus«, stimmte Ramses zu.
»Aber die Hand fühlt sich schon erheblich besser an. Ich vermute, daß dir Kadija diese Heilsalbe heute morgen gegeben hat.«
»Sie steckte sie mir zu, als Tante Amelia gerade nicht hinschaute. Daoud hat sie auch schon verabreicht bekommen, wußtet ihr das? Sie sagt, daß die Frauen in ihrer Familie das Rezept schon seit Generationen weitergeben. Irgendwann muß ich eine Probe mit nach England nehmen und sie dort analysieren lassen. Jetzt tut es kurz weh. Worüber sollen wir reden, damit du entsprechend abgelenkt bist? Ich weiß es! Über Sir Edward. Denkst du, daß sich hinter seiner Verkleidung der Meisterverbrecher verbirgt?«
Es tat weh. Er biß die Zähne zusammen. »Das hast du dir also überlegt, soso.«
»Wirklich, Ramses, du bist einfach nervtötend! Du könntest zumindest erstaunt wirken, wenn ich eine faszinierende Theorie äußere. Ich habe über die attraktive Erscheinung des galanten Sir Edward nachgedacht. Zuletzt begegneten wir ihm in dem Jahr, als wir diesen ganzen Ärger mit Riccetti und der gegnerischen Bande von Antiquitätenräubern hatten. Es war Sir Edward, der Tante Amelia aus den Fängen dieser letzteren Gruppe befreite. An jenem Tag hatte er sie aus Beweggründen verfolgt, die nie zufriedenstellend geklärt werden konnten …«
»Das lag nur an Vaters Zynismus«, erwiderte Ramses ungeduldig. »Er denkt, daß sich jeder Mann unsterblich in Mutter verlieben muß.«
»Aber Sir Edward hatte sich nicht unsterblich in sie verliebt, oder? Warum folgte er ihr dann an jenem Tag? Riccetti versuchte seine Kontrolle über den illegalen Antiquitätenhandel in Ägypten wiederherzustellen. Genau wie einige andere auch. Hätte nicht einer von ihnen der Meisterverbrecher persönlich sein können?«
»Eine interessante Idee«, sagte David nachdenklich. »Sir Edward entspricht ihrer Beschreibung, nicht wahr? Knapp 1,80 in groß, stattlich, durchtrainiert. Und Engländer.«
»Er ist zu jung«, warf Ramses ein.
»Zu jung für was?« fragte David. »Er scheint Mitte bis Ende Dreißig zu sein, doch
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