Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
Fatima auf einer Platte servierten Brote und nickte ihr lächelnd zu. »Verzeihen Sie die Unterbrechung, Sir, aber ich nehme an, daß Sie von der Leiche sprechen, die vorige Woche aus dem Fluß geborgen wurde. Glauben Sie, daß dieser bizarre Vorfall in irgendeinem Bezug zu Ihren derzeitigen Problemen steht?«
»Überhaupt nicht«, sagte Emerson. »Mrs. Emerson gehen ständig die Pferde durch.«
Ich hätte mich gegen die Ungerechtigkeit dieser Behauptung zur Wehr gesetzt, wenn ich nicht den Mund voller Tomatensandwich gehabt hätte. Bevor ich schlucken konnte, sagte Ramses kühl: »Ein interessanter Einwurf, Sir Edward. Was wissen Sie denn über unsere derzeitigen … äh … Probleme?«
»Nur das, was mir seit meiner Ankunft in Luxor zu Ohren gekommen ist«, lautete die umgehende Antwort. »Es liegt mir fern, mich in private Angelegenheiten einzumischen, aber ich könnte mich sicherlich nützlicher machen, wenn ich mit den relevanten Fakten vertraut wäre.«
»Die Schwierigkeit«, gestand ich, »besteht darin, die relevanten Fakten einzuschätzen. Allerdings sind gewisse frühere Vorfälle sicherlich Teil der Geschichte, und ich stimme Ihnen zu, daß Sie ein Recht daraufhaben, diese zu erfahren.«
Ich erwartete Widerspruch, aber es geschah nichts, außer daß Emerson die Stirn runzelte und Ramses besonders unbeteiligt dreinblickte. Deshalb schilderte ich das Abenteuer der drei Gefährten und die Sache mit dem Totenbuch. »Gütiger Himmel!« entfuhr es Sir Edward. »Sie waren in el Was’a, Miss Forth?«
Beinahe ebenso schwungvoll, wie Emerson in einem vergleichbar verärgerten Zustand reagiert hätte, knallte Nefret ihre Tasse auf den Unterteller. »Eine Sache, Sir Edward, sollten Sie möglichst richtigstellen, wenn Sie sich uns anschließen wollen. Ich bin eine erwachsene, unabhängige Frau, und ich werde keinem Mann, Sie eingeschlossen, erlauben, mich in Watte zu packen.«
Er entschuldigte sich überschwenglich, und auf Nefrets Bitte hin holte Emerson den Papyrus. Sir Edward betrachtete ihn mit der Faszination eines echten Wissenschaftlers.
»Erstaunlich«, hauchte er. »Was haben Sie damit vor?«
Ramses, der die Schriftenrolle bewachte, erwiderte: »Er wird in den Besitz eines Museums übergehen, aber erst, wenn ich ihn kopiert und übersetzt habe.«
»Er scheint sich in einem hervorragenden Zustand zu befinden.« Sir Edward streckte seine Hand aus. Ramses verschloß den Deckel der Schatulle.
»Er wird diesen Zustand nicht lange behalten, wenn er andauernd angefaßt wird.«
Ich fuhr mit meiner Schilderung fort. Als ich geendet hatte, sagte Sir Edward: »Wie ich an anderer Stelle bereits erwähnte, Mrs. Emerson, ist Ihr Erzählstil ungeheuer lebendig. Dann glauben Sie also, daß der Papyrus der Auslöser für die Ihnen widerfahrenen Zwischenfälle ist?«
»Das ist eine Möglichkeit«, antwortete Ramses.
»Natürlich. Und wie sehen Ihre Pläne aus? Ich bin mir sicher, daß Sie nicht untätig herumsitzen wollen, bis erneut etwas passiert.«
»Es gibt nicht viel, was wir tun können«, sagte Ramses, der sich offensichtlich zu unserem Sprecher erklärt hatte. »Layla ist die einzige Person, die wir kennen – die einzige, die nicht tot ist, meine ich damit –, und bislang ist es uns nicht gelungen, sie aufzuspüren. Sie hält sich nicht in Gurneh auf. Abdullah und seine Leute haben eine Durchsuchung des Ortes vorgenommen, und ich versichere Ihnen, sie haben ganze Arbeit geleistet.«
»Haben Sie schon ihre früheren … äh … Kolleginnen gefragt?«
Er blickte entschuldigend zu Nefret, die sagte: »Prostituierte, meinen Sie?«
»Äh … ja.«
»Dieser Gruppe haben wir uns bereits gewidmet«, erklärte Ramses.
»Wir?« wiederholte Sir Edward und hob eine Augenbraue.
»Wir!« entfuhr es mir. »Was habt ihr getan? Ramses, ich hatte dir und David ausdrücklich verboten, dorthin … Wo seid ihr gewesen, und woher wußtet ihr – wenn ich das als besorgte Mutter einmal fragen darf-, wohin ihr gehen mußtet?«
»Also, Peabody, beruhige dich doch«, setzte Emerson an.
»Emerson, wie konntest du Ihnen so etwas nur erlauben?«
»Jemand mußte es tun«, beharrte Emerson. »Layla hat vielleicht vorübergehend Zuflucht bei ihren … äh … unglückseligen Schwestern gefunden. Tu nicht so verf … verflixt scheinheilig, Peabody. Du weißt ganz genau, daß du nur zu gern selbst hingegangen wärst, wenn ich dir die Gelegenheit geboten hätte.«
»Keine von ihnen gab zu, irgend etwas zu wissen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher