Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
ihr wenigstens dreimal pro Woche zu schreiben.«
»Wenn sie so verflucht gebrechlich ist, warum bleibt er dann nicht bei ihr?« wollte Emerson wissen, nachdem der junge Mann den Raum verlassen hatte.
»Das war nur eine höfliche Ausrede, Emerson. Er möchte sich nicht in unsere Privatangelegenheiten einmischen. Da wir gerade von Briefen sprechen, auch wir müssen einige Mitteilungen verfassen. Ich werde Evelyn schreiben. Willst du ein paar Zeilen für Walter hinzufügen? Wenn ihr möchtet, könnt ihr Kinder eure Grüße ausrichten; vergeßt aber nicht, daß wir sie zwar davon überzeugen müssen, umgehend nach Hause zurückzukehren, sie aber möglichst nicht beunruhigen sollten.«
»Keine leichte Aufgabe«, murmelte Ramses. Das war es in der Tat nicht. Eine Zeitlang brütete ich über meinem Bogen, radierte Wörter aus und ersetzte sie. Als ich schließlich überzeugt war, mein Bestmögliches versucht zu haben, legte ich meinen Bleistift beiseite. Mit gezückter Feder saß David stirnrunzelnd an seinem Schreibtisch vor einem Blatt Papier. Die anderen, Emerson eingeschlossen, lasen.
»Ich dachte, du wolltest Walter schreiben, Emerson«, sagte ich.
»Ist bereits erledigt.«
Ich griff zu dem Bogen, auf den er deutete. Dort stand: »Nehmt den nächsten Dampfer nach Hause. Mit besten Grüßen, R.E.«
»Emerson, also wirklich«, entfuhr es mir.
»Nun, warum Informationen wiederholen, die du vermutlich bis in ihre erschöpfenden Einzelheiten geschildert hast? Du bist schon seit Stunden zugange, Peabody.« »Du übertreibst, mein Lieber. Natürlich habe ich ihnen die erforderlichen Informationen mitgeteilt. Nefret, möchtest du noch etwas hinzufügen?«
»Das hängt davon ab, wie detailliert deine Informationen sind«, erwiderte Nefret. »Was hast du von Ramses und David geschrieben? Du weißt doch, wie besorgt Tante Evelyn ist.«
»Du kannst den Brief gern lesen.«
Ramses beugte sich über ihre Schulter und überflog ihn ebenfalls. »Hmmm. Du verfügst über eine lebendige Darstellungskraft, Mutter. Vielleicht sollte ich einige beruhigende Zeilen hinzusetzen.«
»Mit deiner linken Hand?« Nefret schüttelte den Kopf.
»Mein lieber Junge, deine Klaue würde Tante Evelyn nur noch mehr beunruhigen. Ich habe eine Idee; ich werde einen medizinischen Bericht anhängen. Fakten sind weniger beunruhigend als die Phantasien, die sich in den Köpfen besorgter Verwandter zusammenbrauen.«
Als Selim und Daoud hereinkamen, schrieb sie immer noch. Sie mußten den Morgenzug erreichen, deshalb gab Emerson ihnen Geld für ihre Ausgaben und ermahnte sie erneut, die Augen offenzuhalten.
»Bleibt so lange, bis ihr euch vergewissert habt, daß sie auch an Bord sind«, wies er sie an. »Egal, wie lange es dauert. Verflucht«, fügte er grimmig hinzu, da er sich ärgerte, daß zwei seiner besten Männer bei der Arbeit fehlten.
»Was ist, wenn Mr. Walter Emerson nicht abreisen will?« wollte Selim wissen.
»Dann ziehst du ihm eins über den Schädel und –« »Also, Emerson, verwirr doch den Burschen nicht«, sagte ich, denn Selims Augen und Mund standen weit offen vor Verwirrung. »Du mußt nur … Nun ja. Was soll er dann machen?«
»Wurde auch höchste Zeit, daß jemand diese Frage stellte«, mischte sich Ramses ein. »Wir haben über sie gesprochen, als handele es sich um Pakete, die wir nach Belieben zurückschicken können. Ich habe Tante Evelyn bereits in Aktion erlebt, und ich versichere euch, daß sie sich nicht einfach herumstoßen läßt.«
»Walter will mit Sicherheit auch nicht abreisen«, stimmte ich zu.
»Aber da ist das Kind. Sie können sie nicht ohne Begleitung nach Hause schicken, wollen sie aber selbstverständlich auch keiner Gefahr aussetzen. Das würden liebende Eltern nie tun.«
Das daraufhin eintretende Schweigen war nicht unbedingt unangenehm. Nicht unbedingt. Ramses, der hinter Nefret stand und seine Hände auf ihrer Rückenlehne aufstützte, blickte ausdruckslos in die Ferne.
»Hmhm«, sagte Emerson laut. »Selim hatte vollkommen recht mit seiner Frage. Es gibt die eine Möglichkeit, denke ich, daß Walter Evelyn und das Kind auf das Schiff verfrachtet und allein hierherkommt. Evelyn gefällt das vielleicht nicht, aber sie würde es akzeptieren. Nicht einmal sie würde erwarten, daß er sie allein zu uns schickt oder Lia mitbringt.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, erwiderte ich. »Wenn einer von ihnen oder alle darauf bestehen hierherzukommen, Selim, dann muß er – oder sie! – das
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